Mit jedem Herzschlag (German Edition)
Juli. Genauer gesagt, am 22. Juli. Du warst mit diesem anderen Mistkerl zusammen, diesem T. J. Und mit dem Typen, den du Iceman genannt hast, und …“
Carrie redete weiter, aber Felipe hörte nicht mehr zu. Er hörte gar nichts mehr, denn gerade hatte sie Richter so deutlich wie nur irgend möglich zu verstehen gegeben, dass er Polizist war.
Iceman. Dieser Name hatte ihn verraten.
Iceman war einer der eifrigsten Drogendealer von St. Simone gewesen.
Und zur Stunde seines Todes hatte Iceman Richter eine Viertelmillion Dollar geschuldet. Er hatte sich das Geld geliehen, um das vermutlich größte Drogengeschäft unter Kleinkriminellen an der Westküste Floridas abzuwickeln. Er hatte sich das Geld geliehen und es nie zurückgezahlt. Denn als Iceman, T. J. Cerrone und der große Randall Page mit dem Nasenring die Kokainlieferung entgegennehmen wollten, war die Polizei auch zur Stelle gewesen.
Sie waren umzingelt und hoffnungslos unterlegen gewesen. Trotzdem hatte Iceman seine Waffe gezogen und eine Schießerei begonnen, bei der fünf Polizisten verletzt worden und er selbst sowie seine beiden Geschäftspartner ums Leben gekommen waren.
Das war im letzten Sommer geschehen. Genauer gesagt am Abend des 22. Juli. Und wenn Felipe am Abend des 22. Juli kurz vor dessen Tod mit Iceman zusammen gewesen war, dann konnte das nur eins bedeuten.
Richter war ein kluger Mann. Tommy Walsh war – obwohl er aussah wie ein alternder Boxer – ebenfalls ein kluger Mann. Beide konnten eins und eins zusammenzählen, und in diesem Fall lautete das Ergebnis: Bulle.
Richter sah Tommy an, Tommy sah Richter an, und Felipe war klar, dass sie zu der offensichtlichen Schlussfolgerung gelangt waren.
„Du warst gut“, sagte Tommy leise zu Felipe. Du warst. Vergangenheit. Als wäre Felipe bereits tot. „Du hattest nur nicht genug Glück.“
Mit seinen blassblauen Augen schaute Tommy kurz zu Caroline hinüber, und Felipe wusste eins mit grausamer Sicherheit. Richters rechte Hand würde die kleine Blonde benutzen, um sicherzugehen, dass Felipe spurte. Tommy würde damit drohen, Caroline eine Kugel in den Kopf zu jagen, wenn Felipe nicht unauffällig mitging. Wenn er nicht nach draußen auf den Parkplatz mitkam, wo Richters Limousine wartete.
Aber wenn Felipe einstieg, wäre es seine letzte Fahrt. Erzweifelte keine Sekunde daran, dass Tommy ihn in die Everglades bringen und dort töten würde. Und danach würde er auch Caroline töten, denn auch sie hatte zu viel gesehen und gehört. Großer Gott, wahrscheinlich hatte sie in Tommys Augen jetzt schon genug mitbekommen, um sich ihr Todesurteil einzuhandeln.
Aus dem Augenwinkel konnte Felipe die großen Glastüren sehen, die nach draußen führten. Vor dem Restaurant parkte soeben ein Hotelangestellter einen teuren Wagen unter dem Vordach.
Wie in Zeitlupe griff Tommy unter seine Jacke nach seiner Waffe.
Der Hotelangestellte stieg aus dem Wagen und ließ die Fahrertür offen. Er umrundete den Wagen und öffnete die Beifahrertür, als die Eigentümer des Autos, ein Paar mittleren Alters, in die Abendluft hinaustraten.
Jetzt oder nie.
Felipe drehte sich um, schnappte sich Caroline und rannte zur Tür.
Sie schrie wütend auf, genau, wie er es erwartet hatte. Er hoffte, dass sie damit genug Aufmerksamkeit auf sich lenkten, um Tommy daran zu hindern, gleich hier in der Lobby die Pistole zu ziehen und ihm in den Rücken zu schießen.
Er hörte den gedämpften Knall eines Pistolenschusses, eine Kugel pfiff an seinem linken Ohr vorbei. Tommys Wunsch, ihn tot zu sehen, war offenbar groß genug, um das Risiko einer Verhaftung einzugehen. Felipe schützte Caroline Brooks mit seinem Körper und rannte noch schneller in der verzweifelten Hoffnung, Tommy würde ihn noch einmal verfehlen. Aber Tommy war ein sehr sicherer Schütze. Felipe wusste nur zu gut, dass der nächste Schuss ihn treffen würde.
Der Wagenbesitzer hielt seiner Frau noch die Glastür auf, als Felipe beide grob zur Seite stieß. Hoffentlich gerieten sie nicht in den Kugelhagel.
Tommy benutzte einen Schalldämpfer. Die meisten Leutehatten noch gar nicht bemerkt, dass geschossen wurde und dass sie in Gefahr waren.
„Runter mit euch!“, rief Felipe, klemmte sich Caroline mit Leichtigkeit unter einen Arm und zog seine eigene Waffe. „Auf den Boden! Alle!“
Die Restaurantangestellten rannten davon.
Als Felipe seine lebende Fracht auf den Beifahrersitz warf und die Tür hinter ihr zuschlug, fühlte er einen Schlag an seinem Bein.
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