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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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und so billig herzustellen, dass ein nordischer Seemann des Mittelalters wenig Anreiz gehabt hätte, in einen magnetischen Kompass zu investieren, auch wenn diese weiter südlich in Gebrauch waren. Bezeichnenderweise schrieb der venezianische Mönch Fra Mauro auf seiner Weltkarte um 1450, dass die Segler auf der Ostsee »ohne Seekarte oder Kompass« navigieren, »sondern nur mit Blei und Leine«, und Olaus Magnus, der letzte katholische Erzbischof von Schweden, beschrieb noch im frühen 16. Jahrhundert Fischer in Nordnorwegen, die sich auf einen einfachen Sonnenkompass oder eine Peilscheibe verließen, um nach Hause zurückzufinden. 11
    Als der dänische Archäologe C. L. Vebæk 1948 die Reste eines Bauernhauses der Ostsiedlung in Uunartoq ausgrub, fand er die übrig gebliebene Hälfte einer Peilscheibe oder ein Modell zur Herstellung solcher Scheiben in einer Kulturschicht, die auf die nordische Siedlungszeit zurückging. Nachdem ein vollständiger Prototyp auf der Basis der alten Halbscheibe hergestellt worden war, testeten erfahrene moderne Segler – darunter der englische Seemann Sir Robin Knox-Johnston – das Gerät erfolgreich bei der Meeresnavigation. In jüngerer Zeit tauchte eine kleine Scheibe, für die man einen ähnlichen Einsatz bei der Navigation annimmt, in Qorlortoq in der Ostsiedlung auf. Man kann also annehmen, dass Eirik der Rote und seine Gefährten einen solchen einfachen Sonnenkompass benutzten. Mit seiner Hilfe konnten sie ihren Weg zu den »Gunnbjarnarsker« und darüber hinaus finden und nach Hause zurückkehren. Sie selbst und andere konnten ihren Weg nach Grönland so nachverfolgen. 12
    Die Lokalisierung von Grönland war allerdings nur eine Schwierigkeit unter vielen, denen sich jene nordischen Pioniere wohl gegenübersahen. Der Zugang zum Land war eine andere. Zu den Hindernissen, die sich vor ihnen auftürmten, zählte der beeindruckende Treibeisgürtel, der bis heute Reisende, die sich Grönlands Ostküste nähern, einschüchtert. Eirik beschloss klugerweise, sich seinen Weg nicht durch diesen Gürtel zu bahnen. Er verspürte wohl kaum den Wunsch, an dieser trostlosen Ostküste an Land zu gehen, an der etwa vier Jahre zuvor Snæbjörn
galti
Holmsteinsson, ein Verwandter seiner Frau, von aufgebrachten Schiffsgefährten getötet worden war. Snæbjörns düsteres Schicksal wurde sogar zur ersten in einer Reihe von nordischen Geschichten, die die abschreckende |38| Natur der grönländischen Ostküste illustrierten, wo schiffbrüchige Seeleute erfroren oder verhungerten, bevor ihnen irgendjemand zu Hilfe kommen konnte. Der Isländer Thorgils Thordsson überlebte allerdings einen solchen Schiffbruch nach einer entsetzlichen (und irgendwie verdächtigen) Geschichte in der
Flóamannasaga
. Thorgils hatte seine Heimat kurz vor dem Jahre 1000 n. Chr. mit Kurs auf Grönland verlassen, als er in einen Sturm geriet und sich schließlich mit seinen Schiffskameraden gestrandet an Grönlands Ostküste wiederfand. Vier furchtbare Winter später schafften es die Überlebenden angeblich, ein Boot aus Häuten zusammenzunähen, und segelten zur Westküste Grönlands, wo inzwischen Eirik der Rote lebte. 13
    Auf seiner eigenen ersten Reise hinaus nach Grönland gelangte Eirik sicher an Kap Farvel vorbei und begann die Fjorde zu erkunden, die zwischen 60° und etwa 61° 30’ nördlicher Breite tief in die Südwestküste einschnitten – ein Gebiet, das bald als Ostsiedlung bekannt werden sollte. Hier, gerade noch weit genug südlich von Island, um ein paar zusätzliche Stunden Winterlicht zu genießen, ohne die »weißen« Sommernächte zu verlieren, die die Menschen im Norden so lieben, beanspruchte Eirik Land auf der Westseite des daraufhin so genannten Eiriksfjord (heute: Tunulliarfik). Die moderne Archäologie kann die Berichte der Sagas belegen, denen zufolge Eirik nach der Überwinterung das Land in Richtung Norden erkundete und bis zur Region um das heutige Nuuk und in die inneren Fjordbezirke vordrang, an denen bald die Westsiedlung entstand. Am geschützten Ende des langen Ameralik-Fjordes, den die Nordmänner Lysufjör∂r (Lebertran-Fjord) tauften, steckte Eirik weiteres Land für sich und seine Familie ab, höchstwahrscheinlich in Sandness, der besten und strategisch sichersten Lage für einen Bauernhof in diesem Gebiet. Nicht lange danach spielte Sandness auch eine Schlüsselrolle in den ersten nordischen Ausfahrten nach Nordamerika, die von Eirik dem Roten und seinem Kreis streng kontrolliert

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