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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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14. Jahrhunderts beeinflussten zwangsläufig auch die atlantischen Gesellschaften Islands und Grönlands. Die Monarchen waren immer stärker darauf aus, Geld mit dem Verkauf von Freibriefen zu verdienen und ihr Handelsmonopol mit den atlantischen Kolonien durchzusetzen. Hákon VI. Magnussons
Rettarbót
von 1360 verschärfte die Handelsbeschränkungen mit und unter den atlantischen Kolonien Norwegens noch einmal – eine Politik, die sein Sohn Olaf (reg. 1380–1387) fortsetzte. Als Olafs Mutter, Königin Margarete, nach dessen Tod die Regierung übernahm, zeigte sie sich nicht nur selbst gnadenlos, sondern wies auch ihren Erben Erich von Pommern an, ihrem Beispiel zu folgen. 24 Die kumulative Wirkung dieser königlichen Anstrengungen führte zu ausweichendem |142| Verhalten und Heimlichkeiten und machte den eigentlich gesetzeswidrigen Handel mit Grönland teurer, besonders wenn einige Jahre lang kein Schiff mehr die Insel angefahren hatte und die Einwohner einerseits nach Importwaren lechzten, andererseits auch wertvolle Tauschgüter angehäuft hatten.
    Sobald eine Ladung in Norwegen angelandet war, konnte man die immer strengeren norwegischen Handelsrestriktionen den Handel mit oder zwischen den nordischen Kolonien betreffend nicht mehr umgehen, aber man konnte sich Geschichten ausdenken, um nicht bestraft zu werden, vor allem auch, weil Norwegen unter Margarete und Erich diese Gemeinschaften immer stärker vernachlässigte. Bei den letzten aktenkundig gewordenen Reisen zwischen Grönland und Norwegen griff man sehr erfolgreich auf Ausreden zurück. Damals legte Norwegen schon keinen größeren Wert mehr darauf, Grönland mit einem ortsansässigen Bischof auszustatten, und die offiziellen Kontakte wurden immer schwächer.
    Als Bischof Alf 1377 oder 1378 in Gardar starb (Kapitel Sechs), erreichte diese Nachricht Norwegen erst 1383, als das isländische Schiff
Ólafssúdinn
direkt von Grönland nach Bergen segelte. Die Nachricht vom Tod des Bischofs war allerdings nicht der einzige Grund dafür, dass die Ankunft des Schiffes in den Annalen verzeichnet wurde. Die
Ólafssúdinn
brachte eine Ladung aus Grönland sowie die überlebenden Mannschaftsmitglieder der
Thorlakssúdinn,
des Schiffs des Bischofs von Skálholt, die berichteten, sie seien auf dem Beiboot nur knapp dem Tode entronnen, als sie 1381 vor der grönländischen Küste Schiffbruch erlitten. Irgendwann kam schließlich heraus, dass weder die
Ólafssúdinn
noch die
Thorlakssúdinn
etwas in Grönland zu suchen gehabt hatten, und sie wurden angeklagt, Außenhandelswaren ohne königliche Erlaubnis eingeführt zu haben. Zur Verteidigung führte man den norwegischen Steuerämtern gegenüber an, dass beide Schiffe »vom Kurs abgetrieben« worden seien, als sie Island ansteuerten, und ganz gegen den Willen der Besatzung in Grönland gelandet seien. Zum Glück für die Isländer tat der höchste Finanzbeamte des Königs in Bergen, Erlend Philippuson, so, als nehme er ihnen ihre traurige Geschichte ab, obwohl sie sich nicht einmal die Mühe gemacht hatten, auf der Reise zurück nach Osten in Island Halt zu machen und ihren Verwandten zu versichern, dass sie gesund und munter seien. Erlend entlastete sie, ebenso wie sechs Jahre später den berühmten Nordisländer Björn Einarsson »Jerusalemfahrer«, als man ihm gesetzeswidrigen Handel mit Grönland vorwarf und er ebenfalls behauptete, abgetrieben worden zu sein. 25
    Allgemein ist man aufgrund dieser Vorfälle davon ausgegangen, dass sich die Wetterbedingungen im Nordatlantik im späten 14. Jahrhundert verschlechtert |143| haben müssen. Doch niemand konnte bislang erklären, warum die Windrichtungen und Strömungen sich gerade so veränderten, dass Seefahrer in Richtung Westen praktischerweise sicher um Kap Farvel herum zur Ostsiedlung getragen wurden, bevor sie an Land geworfen wurden. Plötzlich waren sie also wie durch einen glüklichen Zufall mitten unter Menschen, mit denen sie Handel treiben konnten, gerade dort, wo die Bedingungen so gut waren, dass man problemlos ein Jahr und länger bleiben konnte. Ein Schiff aus Richtung Island oder Norwegen konnte vor Grönlands Ostküste durchaus in Schwierigkeiten kommen, was praktisch einem Todesurteil gleichkam, doch nur jemand, der mit den grönländischen Verhältnissen vertraut war, konnte das wissen. Erlend Philippuson und jeder andere Norweger ohne eigene Erfahrung mit Reisen nach Grönland hatte sicher nur eine verschwommene Vorstellung von der allgemeinen Form,

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