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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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einst wirklich Hinweise darauf fanden, dass die Grönländer sich weigerten, Kirchensteuern zu bezahlen – was doch sicher Jón Sigurdsson von Skálholt gemeldet worden wäre, als er sich 1343 im Ausland zum Bischof weihen ließ. Gíslis Behauptungen für sich genommen spiegeln vor allem seine Ausbildung in Kopenhagen und das Denken vieler seiner Zeitgenossen wider und sind weder ein Beweis für die umfassende Auswanderung der nordischen Grönländer noch für ihren Abfall vom christlichen Glauben.
    Das Datum, das Gísli der endgültigen nordischen Wanderung zuschreibt, liegt fünf Jahre vor dem Zwischenfall mit dem Schiff aus Markland, von dem die isländischen Annalen berichten, und ein Jahr nach Ívars Ankunft in Grönland. Ausgehend von Ívars Darstellung würde niemand vermuten, dass der Abgesandte des Bischofs in ein entvölkertes Land kam oder dass die nordischen Grönländer sich vor den Thule-Menschen fürchteten. Offenbar verfügten sie noch immer über Schiffe und gingen in Ruhe ihren Geschäften nach. Doch was ist mit Ívars Behauptung, eine Rettungsexpedition zur Westsiedlung habe nur verlassene Höfe und Tiere vorgefunden? Als ob er die Szene noch schauriger machen wolle, notiert Ívar in seiner »Beschreibung« zweimal, die Expeditionsmitglieder hätten weder Christen noch Heiden gesehen.
    Dass sich Ívar darauf beruft, die christlichen Nordmänner hätten vor den heidnischen Skraelingern gerettet werden müssen, passte zur zeitgenössischen Frömmigkeit, könnte aber auch ebenso gut eine Interpolation des frühen 16. Jahrhunderts sein, als Erzbischof Valkendorf sich darauf vorbereitete, Grönland zu besuchen und die nordischen Bewohner dort für Kirche und Krone |192| zurückzuerobern (Kapitel Elf). Für Ívar und seine Zeitgenossen waren Heiden und schwarze Magie so eng miteinander verbunden, dass der unerwartete Anblick verlassener Gehöfte ihnen wohl so viel Angst einjagte, dass sie auf eine genauere Suche verzichteten und aufs Schiff zurückkehrten, sobald sie ihre Schlachtarbeiten erledigt hatten.
    Das Kontingent aus Gardar war dem Bericht zufolge bewaffnet und muss auf die Bauern der Westsiedlung, die höchstwahrscheinlich ahnten, warum sie mit einem Besuch beehrt werden sollten, so bedrohlich gewirkt haben, dass diese sich so schnell wie möglich versteckten und ihr schutzloses Vieh unbehütet zurückließen. Sie hielten noch immer Kontakt zur Ostsiedlung und wussten wahrscheinlich von Ívars Ankunft in Grönland, um Abgaben und Steuern für Krone und Kirche einzutreiben. Ebenso gut wussten sie, dass sie diese Abgaben und Steuern nicht zahlen wollten. Ganz offensichtlich hatten sie nicht vor, ihre Tiere lange allein zu lassen, wenn sogar Pferde und Rinder darunter waren. Von Schafen und Ziegen weiß man, dass sie auf sich allein gestellt mehrere Winter überleben können, doch ein Winter im Freien hätte für Pferde und Kühe das Ende bedeutet. 2

|202| Immer weiter in den Norden – John Cabots Nachfolger
    Nach John Cabots Atlantiküberquerungen in den Jahren 1496 bis 1498 (vgl. Kapitel Neun) drangen weitere Entdecker mit drei unterschiedlichen Zielen immer weiter in den Nordatlantik vor: Einige suchten wie John Cabot und dessen Sohn Sebastian nach ihm eine Nordwestpassage zu den Gewürzen und Seidenstoffen des Orients, durch ein Land, das noch immer als der nordöstlichste Zipfel Asiens galt, bis es endlich als der Nordteil des gewaltigen amerikanischen Kontinents anerkannt wurde. Andere hofften, jenseits des Atlantiks Gold und Silber zu finden. Und wieder andere schließlich konzentrierten sich auf ganz unglamouröse Rohstoffe, die entlang der Ostküste Nordamerikas und in den angrenzenden Gewässern zu finden waren: Sie erweiterten die Fanggründe, die Fischer und Walfänger schon seit ewigen Zeiten in aller Stille ausgebeutet hatten, und brachten Kaufleute ins Spiel, die Wolltuch, Zinnkessel, Hüte, Stickereien und andere verarbeitete Waren gegen exotische Handelsgüter der Ureinwohner tauschen wollten.
    In dieser frühen Zeit drangen vor allem Engländer, Portugiesen und Spanier in die Davis Strait vor, und alle vertrauten auf Lotsen mit Erfahrungen aus früheren Reisen in den Norden. Einigen wenigen war auch Grönland bekannt, denn die erhaltenen Beschreibungen ihrer Reisen zeigen, dass sie die Segelroute, bei der man zunächst Island ansteuerte und dann die Südspitze Grönlands als Navigationszeichen benutzte, sehr gut kannten. zeitgenössische Karten konnten ihnen dabei, wie unten

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