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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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persönlicher Abschrift der lateinischen Fassung von Ptolemaios’
Geographia
, die 1427 fertiggestellt wurde, aber bis 1835 nicht bekannt war (vgl. Kapitel Fünf). Eine weitere Landkarte aus Clavus’ Feder, die kurze Zeit später entstand, ist schon seit Langem verloren; von ihrer Existenz und ihren Inhalten wissen wir nur durch zwei »Wiener Texte«, Abschriften aus der Mitte des 16. Jahrhunderts von schon früher entstandenen Werken. Axel Anton Bjørnbo und Carl Petersen, die zufällig im Jahr 1900 auf die Handschriften stießen, unternahmen gewissenhafte Anstrengungen, um die Reise der Beschreibungen von Claudius Clavus bis in das Wiener Archiv zurückzuverfolgen. Ihre Arbeit zeigt sehr deutlich, dass es einen weiten Raum für Abschreibfehler wie auch für Veränderungen und Zusätze aufgrund neuerer Informationen gegeben hatte. 23
     
    Bjørnbo lieferte ausgehend von den Beschreibungen und geografischen Koordinaten in den Wiener Texten eine Rekonstruktion und Analyse der zweiten Landkarte des Clavus (Kapitel Fünf). Er übernahm dabei auch den Ortsnamen »Thær« an der äußersten Nordostküste Grönlands. Auf Clavus’ früherer Landkarte in der Nancy-Kopie fehlt allerdings ein solcher Name, während Nicolò Zenos gefälschte Karte des Nordatlantiks aus dem Jahr 1558 (Kapitel Elf und »Postskriptum«) ein »Ther promontorio« weit oben im Norden an der Ostküste Grönlands anführt. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass dieses »Vorgebirge« erst irgendwann in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Eingang in die geografische Überlieferung – einschließlich der Wiener Texte – fand.
    |205| Bjørnbos Überzeugung, dass die Menschen des Mittelalters sich die Welt als Scheibe, nicht als Kugel vorgestellt hätten (Kapitel Fünf), wirkte sich natürlich negativ auf seine akribische Arbeit über Clavus aus, doch dessen ungeachtet stehen die Gelehrten bis heute tief in seiner Schuld. Auf der in Nancy gefundenen Kopie von Clavus’ erster Karte, die keine Westküste für »Gronlandia provincia« aufweist, sondern nur Grönlands
Ost
küste, wie sie sich über Island wölbt, um den arktischen Teil Norwegens zu erreichen, entdeckte Bjørnbo einen kleinen roten Winkel, der auf eine Stadt hinwies, etwa in der Mitte jener Ostküste. Ortsnamen fehlten hier wie insgesamt für Grönland, doch Bjørnbo kam zu dem Ergebnis, dass der Winkel Gardar darstellen sollte. Er war sich sicher, dass Clavus die grönländischen Nordmänner persönlich besucht hatte, bevor er seine zweite Karte des Nordens zeichnete, und ging deshalb davon aus, dass sein dänischer Landsmann einen Fehler gemacht und den Bischofssitz an der falschen Stelle eingetragen hatte, weil er noch nicht in Grönland gewesen war, als er seine
erste
Landkarte zeichnete. 24 Nun war Clavus allerdings niemals auch nur in der Nähe Grönlands und hatte insgesamt wenig Ahnung von allem, was sich nördlich von Dänemark befand. Immerhin wusste er, dass die Nordmänner Grönland von Island aus besiedelt hatten und einen eigenen Bischofssitz besaßen, und weil ihm auch klar war, dass Grönland westlich von Island lag, ging er einfach davon aus, dass die nordischen Siedler die kürzeste Route gewählt und an Grönlands Ostküste gesiedelt hatten. In Kapitel Elf werden wir noch einmal auf einige andere Folgen dieses theoretischen Ansatzes zurückkommen.
    Clavus hatte eine nachhaltige Wirkung auf die europäische Kartografie des 15. Jahrhunderts und bot reichlich Raum für Verwirrung, besonders da Kardinal Fillastre wahrscheinlich nicht die einzige Kopie von Clavus’ erster Karte und Beschreibung besaß. Später zeichnete Clavus eine zweite Landkarte mit einer Beschreibung des Nordens und schilderte Grönland als eine langgestreckte Halbinsel, die sich nordwestlich von Island aus dem Polargebiet vorschiebt – ein Konzept, das als die so genannte A-Redaktion bekannt wurde. Wie dies in Clavus’ eigener zweiter Karte genau aussah, wissen wir allerdings nicht, weil die Karte selbst verschollen ist.
    Im württembergischen Schloss Wolfegg identifizierte der Jesuitenpater Josef Fischer 1901 eine Handschrift des Nicolaus Germanus aus dem Jahr 1468 als den Vorläufer der Landkarten des Nordens, die Nicolaus Germanus zu den Ulmer Ausgaben der
Geographia
von 1482 und 1486 beisteuerte – die so genannte Redaktion B. 25 In dieser Fassung liegt Grönland als eine große Halbinsel namens »Engronelant« deutlich im
Osten
Islands, nördlich von Norwegen |206| und Schweden und durch

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