Mit offenen Karten
Shaitana, dass Ihr Steckenpferd ein gefährliches sein könnte!»
Mr Shaitana brach in ein sehr mephistophelisches Lachen aus. «Ich darf Sie also am 18. erwarten?»
Poirot machte eine kleine Verbeugung.
«Sie dürfen mich am 18. erwarten. Mille remerciements. »
«Ich werde eine kleine Gesellschaft arrangieren», sagte Shaitana. «Vergessen Sie nicht, acht Uhr!»
Er entfernte sich. Poirot blieb stehen und blickte ihm nach. Er schüttelte langsam und nachdenklich den Kopf.
2
D ie Eingangstür von Mr Shaitanas Wohnung öffnete sich lautlos. Ein grauhaariger Butler bat Poirot näher zu treten. Dann schloss er die Tür ebenso lautlos und nahm dem Gast gewandt Hut und Mantel ab.
Er murmelte leise: «Wen darf ich melden?»
«Hercule Poirot.»
Ein gedämpftes Stimmengewirr drang in die Halle, als der Butler die Tür öffnete und meldete: «Monsieur Hercule Poirot.»
Das Sherryglas in der Hand kam Shaitana auf ihn zu. Er war wie immer tadellos angezogen. Die mephistophelische Note trat heute Abend noch stärker als üblich zu Tage. Der spöttische Zug der Augenbrauen schien noch ausgeprägter.
«Darf ich Sie vorstellen – kennen Sie Mrs Oliver?»
Der Marktschreier in Shaitana genoss Poirots sichtliche Verblüffung.
Mrs Ariadne Oliver war als eine der hervorragendsten Autorinnen von Detektiv- und anderen Sensationsromanen sehr bekannt. Sie schrieb im munteren Plauderton (wenn auch nicht immer grammatikalisch ganz korrekt) Artikel über den «Hang zum Verbrechen», «Mord aus Liebe versus Mord aus Gewinnsucht» usw. Sie war auch eine ungestüme Frauenrechtlerin, und wenn irgendein Aufsehen erregender Mord die Zeitungsspalten füllte, so erschien bestimmt ein Interview mit Mrs Oliver, und es wurde zitiert, dass Mrs Oliver gesagt hatte: «Ja, wenn eine Frau an der Spitze von Scotland Yard stünde.» Sie glaubte fest an die weibliche Intuition.
Im Übrigen war sie eine sympathische Frau in mittleren Jahren, hübsch, wenn auch etwas unordentlich, mit breiten Schultern und einer Menge widerspenstigen grauen Haaren, mit dem sie unentwegt herumexperimentierte. An manchen Tagen war ihre Erscheinung ausgesprochen intellektuell – die Haare straff aus der Stirn gekämmt und im Nacken zu einem großen Knoten verschlungen –, ein andermal erschien Mrs Oliver mit Madonnenrollen oder einer Unzahl etwas zerraufter Löckchen. An diesem besonderen Abend versuchte es Mrs Oliver mit Ponyfransen.
Sie begrüßte Poirot, den sie einmal auf einem literarischen Diner getroffen hatte, mit einer angenehmen Bassstimme.
«Und Superintendent Battle kennen Sie zweifellos», sagte Mr Shaitana.
Ein großer vierschrötiger Mann mit einem hölzernen Gesicht kam auf sie zu. Superintendent Battle wirkte nicht nur, als wäre er aus Holz geschnitzt, sondern es gelang ihm auch, den Eindruck zu erwecken, als stamme besagtes Holz von einem Kriegsschiff.
Battle galt als Scotland Yards bester Mann.
Er blickte immer gleichmütig und eher dumm drein.
«Ich kenne Monsieur Poirot», sagte Battle.
Sein hölzernes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, um gleich wieder seine frühere Ausdruckslosigkeit anzunehmen.
«Colonel Race», fuhr Shaitana fort.
Poirot war Colonel Race noch nicht begegnet, aber er hatte von ihm gehört. Ein brünetter, gut aussehender Mann von fünfzig Jahren, befand er sich zumeist auf einem vorgeschobenen Posten des Empire, besonders wenn dort Unruhen drohten. Geheimdienst ist ein etwas melodramatischer Ausdruck, aber er bezeichnet für den Laien ziemlich genau die Art von Colonel Races Tätigkeit.
Poirot hatte die Idee seines Gastgebers bereits erfasst und gebührend gewürdigt.
«Unsere anderen Gäste verspäten sich», erklärte Mr Shaitana. «Vielleicht ist es meine Schuld. Ich glaube, ich habe ihnen acht Uhr fünfzehn gesagt.»
Aber in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und der Butler meldete:
«Dr. Roberts.»
Dr. Roberts trat ein, als würde er aufmunternd an ein Krankenlager treten. Er war ein jovialer Mann in mittleren Jahren mit frischen Farben, kleinen blinzelnden Augen, einer beginnenden Glatze, Neigung zum Embonpoint und dem ganzen Aussehen des gut gewachsenen und gut desinfizierten praktischen Arztes. Sein Auftreten war gut gelaunt und sicher. Man hatte das Gefühl, das er korrekte Diagnosen stellen und keine unangenehmen Dinge verschreiben würde – etwas Champagner in der Rekonvaleszenz, vielleicht.
Ein Mann von Welt.
«Ich hoffe, ich bin nicht zu spät», sagte Dr. Roberts munter. Er
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