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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Leben von drei anderen Menschen ungünstig beeinflusst. Durch meine Tat durchlebten Doktor Roberts, Major Despard und Miss Meredith, von denen keiner mir je irgendetwas angetan hatte, eine schwere Zeit und mochten sogar in Gefahr schweben. Das, zumindest, könnte ich wiedergutmachen. Die schwierige Situation von Dr. Roberts und Major Despard berührte mich nicht sonderlich, obwohl vermutlich beide eine viel längere Lebenszeit vor sich haben als ich. Sie sind Männer und können bis zu einem gewissen Grad selbst auf sich aufpassen. Aber wenn ich Anne Meredith ansah…»
    Sie stockte und fuhr dann langsam fort:
    «Anne Meredith ist ein junges Mädchen. Sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich.
    Und schließlich, Monsieur Poirot, begriff ich, dass Sie Recht gehabt hatten, dass ich mein Schweigen brechen musste. Und heute Nachmittag rief ich Sie an…»
    Einige Minuten verstrichen.
    Hercule Poirot beugte sich vor. Er starrte durch das wachsende Dunkel Mrs Lorrimer an. Sie erwiderte diesen eindringlichen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Endlich sagte er:
    «Mrs Lorrimer, sind Sie sicher – sind Sie ganz sicher (Sie sagen mir die Wahrheit, nicht wahr?) –, dass der Mord an Mr Shaitana nicht vorbedacht war? Haben Sie das Verbrechen nicht eigentlich vorher geplant, sodass Sie schon mit dem fertigen Konzept zu diesem Diner gingen?»
    Mrs Lorrimer starrte ihn einen Augenblick an, dann schüttelte sie energisch den Kopf.
    «Nein», sagte sie.
    «Sie haben den Mord nicht vorher geplant?»
    «Gewiss nicht.»
    «Dann – dann… Oh, Sie belügen mich, Sie müssen lügen…!»
    Mrs Lorrimers Stimme klang schneidend und eisig: «Monsieur Poirot, ich glaube, Sie vergessen sich.»
    Der kleine Mann sprang auf. Er ging im Zimmer auf und ab, Stoßgebete murmelnd.
    Plötzlich sagte er:
    «Gestatten Sie?»
    Er ging zum Schalter und drehte das Licht höher.
    Er kam zurück, setzte sich nieder, legte beide Hände auf seine Knie und starrte seiner Gastgeberin gerade ins Gesicht. «Der springende Punkt ist», sagte er: «Kann Hercule Poirot sich irren?»
    «Niemand kann immer Recht haben», erwiderte Mrs Lorrimer kalt.
    «Ich», behauptete Hercule Poirot, «ich habe immer Recht. Ich bin so unfehlbar, dass es mich verblüfft. Aber jetzt sieht es sehr danach aus, als würde ich mich irren. Und das regt mich auf. Vermutlich wissen Sie, was Sie sagen. Es ist ja Ihr Mord. Es ist demnach fantastisch, dass Hercule Poirot besser wissen sollte als Sie selbst, wie er begangen wurde.»
    «Fantastisch und absurd», bestätigte Mrs Lorrimer eisig.
    «Dann bin ich also verrückt. Es ist klar, ich bin verrückt. Nein – ich bin nicht verrückt. Ich habe Recht. Ich muss Recht haben. Ich will glauben, dass Sie Mr Shaitana getötet haben – aber Sie können ihn nicht auf diese Weise getötet haben, wie Sie behaupten! Niemand kann etwas tun, was nicht dans son caractère ist! »
    Er hielt inne. Mrs Lorrimer zog zornig die Luft ein und biss sich auf die Lippen. Sie wollte sprechen, aber Monsieur Poirot kam ihr zuvor.
    «Entweder der Mord an Shaitana war von langer Hand geplant – oder Sie haben Shaitana nicht ermordet!»
    Mrs Lorrimer sagte: «Ich glaube, Sie sind wirklich verrückt, Monsieur Poirot. Wenn ich gewillt bin, das Verbrechen zu gestehen, warum sollte ich über die Art und Weise lügen, wie ich es begangen habe? Welchen Sinn hätte das?»
    Poirot stand wieder auf und ging einmal im Zimmer herum. Als er wieder zu seinem Stuhl zurückkam, hatte sein Benehmen sich verändert. Er war wieder milde und gütig.
    «Sie haben Mr Shaitana nicht ermordet», sagte er sanft. «Ich sehe das jetzt. Ich sehe alles. Harley Street. Die kleine Anne Meredith steht einsam und verlassen auf dem Bürgersteig. Ich sehe auch ein anderes Mädchen – vor sehr, sehr langer Zeit – ein Mädchen, das immer allein durchs Leben ging – schrecklich allein. Ja, ich sehe das alles. Aber etwas sehe ich nicht. – Warum sind Sie so überzeugt, dass Anne Meredith es getan hat?»
    «Aber ich bitte Sie, Monsieur Poirot!»
    «Es ist völlig nutzlos zu protestieren, Madame, oder mich weiter zu belügen. Ich sage Ihnen, ich kenne die Wahrheit. Ich kenne genau die Gefühle, die Sie an jenem Tag in der Harley Street überwältigten. Sie hätten es nicht für Dr. Roberts getan – o nein! Sie hätten es nicht für Major Despard getan, non plus. Aber Anne Meredith ist etwas anderes. Sie haben Mitleid mit ihr, weil sie das tat, was Sie einst taten. Sie wissen nicht einmal – nehme ich

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