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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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habe, und dass sie alle drei um Entschuldigung bäte – um Entschuldigung! – für die Unannehmlichkeiten und den Verdruss, den sie erdulden mussten. Ein vollkommen nüchterner, sachlicher Brief. Sehr charakteristisch für die Frau. Sie war kalt wie eine Hundeschnauze.»
    Das also war Mrs Lorrimers letztes Wort. Sie hatte sich trotz allem entschlossen, Anne Meredith zu schützen. Ein schneller, schmerzloser Tod, statt einem langsamen, qualvollen, und als letztes ein Akt der Selbstlosigkeit – die Rettung eines Mädchens, mit dem sie sich durch ein geheimes Band des Schicksals verbunden fühlte. Die ganze Sache mit eiserner Konsequenz geplant und durchgeführt – ein den drei Beteiligten sorgsam mitgeteilter Selbstmord. Was für eine Frau! Seine Bewunderung stieg. Es entsprach ganz ihrer Persönlichkeit, ihrer ausgeprägten Willenskraft, ihrer Beharrlichkeit, die einmal gefassten Beschlüsse durchzuführen.
    Er hatte geglaubt, sie überzeugt zu haben – aber augenscheinlich hatte sie ihr eigenes Urteil vorgezogen. Eine Frau von Format.
    Battles Stimme schnitt seine Betrachtungen ab.
    «Was, zum Teufel, haben Sie ihr gestern gesagt? Sie müssen ihr Angst eingejagt haben; und das ist der Erfolg. Aber Sie haben mir zu verstehen gegeben, dass das Ergebnis ein definitiver Verdacht auf die kleine Meredith war.»
    Poirot schwieg einige Augenblicke. Er fühlte, dass die tote Mrs Lorrimer ihn ihrem Willen noch mehr unterwarf, als die lebende es vermocht hätte.
    Endlich sagte er langsam: «Ich habe mich geirrt.»
    Es waren ungewohnte Worte in seinem Munde, und die schmeckten ihm bitter.
    «Sie haben sich geirrt, wie? Trotzdem muss sie geglaubt haben, dass Sie ihr auf die Spur gekommen waren. Es ist eine unangenehme Geschichte, dass sie uns so durch die Finger geschlüpft ist.»
    «Sie hätten ihr nichts beweisen können», erwiderte Poirot.
    «Nun – das stimmt vermutlich… Vielleicht ist es so am besten. Sie haben das – hm – nicht gewollt, Monsieur Poirot?»
    Poirot verneinte entrüstet. Dann bat er:
    «Berichten Sie mir genau, was geschehen ist.»
    «Roberts öffnete seine Briefe knapp vor acht Uhr. Er verlor keine Zeit, fuhr sofort mit seinem Auto los und überließ es seinem Stubenmädchen, uns zu verständigen, was es auch tat. Er kam ins Haus und erfuhr, dass Mrs Lorrimer noch nicht geweckt worden war, raste in ihr Schlafzimmer – aber es war zu spät. Er versuchte künstliche Beatmung, aber vergeblich. Unser Bezirksarzt kam bald darauf und fand die Behandlungsmethode korrekt.»
    «Was für ein Schlafmittel war es?»
    «Ich glaube Veronal. Jedenfalls ein Barbiturat. Es lag ein Röhrchen mit Tabletten auf ihrem Nachttisch.»
    «Was ist mit den anderen beiden? Haben sie nicht versucht, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen?»
    «Despard ist nicht in der Stadt. Er hat seine Morgenpost noch nicht gelesen.»
    «Und Miss Meredith?»
    «Ich habe sie eben angerufen.»
    « Eh bien? »
    «Sie hatte den Brief wenige Minuten vor meinem Anruf erhalten. Die Post kommt dort später.»
    «Wie war ihre Reaktion?»
    «Vollkommen normal. Intensive Erleichterung, anstandshalber bemäntelt. Tief ergriffen usw.»
    Poirot sagte nach einer kleinen Pause:
    «Wo sind Sie jetzt, mein Freund?»
    «In Cheyne Lane.»
    «Sien. Ich komme sofort.»
    In der Halle von Cheyne Lane begegnete er Dr. Roberts, im Begriff fortzugehen.
    Von dem üblichen frisch-fröhlichen Benehmen des Doktors war an diesem Morgen wenig zu merken. Er sah blass und erschüttert aus.
    «Das ist eine abscheuliche Geschichte, Monsieur Poirot. Ich will nicht behaupten, dass ich, von meinem persönlichen Standpunkt aus, nicht erleichtert bin, aber aufrichtig gestanden, ist es doch ein Schock. Ich habe nicht einen Augenblick ernstlich gedacht, dass es Mrs Lorrimer gewesen sein könnte, die Shaitana erstochen hat. Es ist die größte Überraschung für mich.»
    «Ich bin auch überrascht.»
    «Eine ruhige, kultivierte, beherrschte Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas so Gewalttätiges getan hat. Ich frage mich, was das Motiv gewesen sein mag. Das werden wir wohl nicht mehr erfahren, aber ich gestehe, dass ich neugierig bin.»
    «Ihnen muss durch diesen Vorfall ein Stein vom Herzen fallen.»
    «Oh, zweifellos. Es wäre Heuchelei, das zu leugnen. Es ist nicht sehr angenehm, unter Mordverdacht zu stehen. Was die Arme selbst betrifft, so war es zweifellos der beste Ausweg.»
    «Das war auch ihre eigene Meinung.»
    Roberts nickte.
    «Gewissensbisse vermutlich»,

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