Mit offenen Karten
Fachmann hinzuziehen würde. Alles sprach dafür, dass Mrs Lorrimer Selbstmord verübt hatte.»
«Sie werden mir meine Neugier vergeben, Monsieur Poirot, aber was ließ Sie vermuten, dass sie nicht Selbstmord verübt hatte?»
«Ein kleines Gespräch, das ich mit dem Stubenmädchen in Cheyne Lane führte.»
«Sie erzählte Ihnen von Anne Merediths Besuch am Vorabend?»
«Unter anderem auch das. Und dann, wissen Sie, hatte ich meine Schlussfolgerungen hinsichtlich der Identität des Täters – das heißt, der Person, die Mr Shaitana ermordet hat – schon gezogen. Diese Person war nicht Mrs Lorrimer.»
«Was lenkte Ihren Verdacht auf Miss Meredith?»
Poirot hob die Hand.
«Einen Moment. Lassen Sie mich diese Sache auf meine eigene Art behandeln. Das heißt, durch Ausschaltung. Der Mörder von Mr Shaitana war nicht Mrs Lorrimer, noch war er Major Despard und sonderbarerweise war er auch nicht Miss Meredith…»
Er beugte sich vor. Seine Stimme schnurrte sanft und katzenhaft.
«Sehen Sie, Dr. Roberts, Sie sind die Person, die Mr Shait a na ermordet hat; und Sie haben auch Mrs Lorrimer ermordet…»
Es entstand eine Pause von mindestens drei Sekunden. Dann stieß Roberts ein drohendes Lachen aus. «Mein lieber Battle», er wandte sich an den Scotland-Yard-Mann, «unterstützen Sie das?»
«Ich glaube, Sie hören lieber zu, was Poirot zu sagen hat», erwiderte Battle ruhig.
«Es stimmt, dass, obwohl ich seit geraumer Zeit wusste, dass Sie – und nur Sie – Shaitana ermordet haben konnten, ich auch wusste, dass es nicht leicht sein würde, das zu beweisen. Aber Mrs Lorrimers Fall liegt ganz anders.» Er beugte sich vor. «Da handelt es sich nicht um mein Wissen. Da ist es viel einfacher – denn da haben wir einen Augenzeugen, der sah, wie Sie es taten.»
Roberts wurde sehr still. Seine Augen glitzerten. Er sagte scharf:
«Sie reden Unsinn!»
«O nein, keineswegs. Es war am frühen Morgen. Sie dringen durch einen Bluff in Mrs Lorrimers Schlafzimmer ein, wo sie noch durch die Wirkung des am Vorabend eingenommenen Schlafmittels in tiefem Schlaf liegt. Sie bluffen wieder und geben vor, auf den ersten Blick zu sehen, dass sie tot ist. Sie schicken das Mädchen um Brandtwein, heißes Wasser usw. fort. Sie bleiben allein im Zimmer. Das Mädchen hatte kaum einen Blick hineingeworfen. Und was geschieht jetzt?
Sie wissen es vielleicht nicht, Dr. Roberts. Aber gewisse Fensterputzfirmen sind speziell darauf eingerichtet, am frühen Morgen zu arbeiten. Ein Fensterputzer mit seiner Leiter erschien gleichzeitig mit Ihnen. Er lehnte seine Leiter an die Hausmauer und begann zu arbeiten. Er fing mit Mrs Lorrimers Fenster an. Als er jedoch sah, was vorging, zog er sich rasch an ein anderes Fenster zurück. Aber er hatte schon etwas gesehen. Er soll uns seine Geschichte selbst erzählen.»
Poirot durchquerte leichten Schrittes das Zimmer, drückte auf eine Türklinke und rief: «Kommen Sie herein, Stephens», und kam zurück.
Ein großer, linkisch aussehender, rothaariger Mann trat ein. Er hielt eine Kappe, die er verlegen herumdrehte, in der Hand. Die Kappe trug die Aufschrift «Chelsea Window Cleaner’s Association».
Poirot fragte:
«Ist jemand in diesem Zimmer, den Sie erkennen?»
Der Mann sah sich um und wies dann verschämt mit dem Kopf auf Dr. Roberts.
«Den da», sagte er.
«Sagen Sie uns, wann Sie ihn zuletzt sahen und was er da machte.»
«Es war heute Morgen. Arbeitsantritt acht Uhr im Haus einer Dame in der Cheyne Lane. Ich begann dort mit den Fenstern. Die Dame war im Bett. Sie sah krank aus. Sie drehte gerade ihren Kopf auf dem Kissen herum. Den Herrn da hielt ich für einen Arzt. Er schob ihren Ärmel hinauf und stach ihr etwas in den Arm, ungefähr da…», zeigte er. «Sie fiel einfach wieder auf das Kissen zurück. Ich dachte, ich mache mich lieber an ein anderes Fenster, und das tat ich auch. Ich hoffe, ich habe nichts Schlechtes getan?»
«Sie haben es gut gemacht, mein Freund», sagte Poirot.
« Eh bien, Dr. Roberts?»
«Ein – ein einfaches Belebungsmittel», stammelte Roberts. «Ein letzter Versuch, sie ins Leben zurückzubringen. Es ist ungeheuerlich…»
Poirot unterbrach ihn.
«Ein einfaches Belebungsmittel? N-methyl-cyclo-hexenyl-methyl-malonyl-urea», sagte Poirot und rollte salbungsvoll die Silben. «Besser bekannt unter dem einfachen Namen Evipan. Wird als Narkotikum für kurze Operationen verwendet. Intravenös in großen Dosen gespritzt, erzeugt es sofortige Bewusstlosigkeit.
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