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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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nach rechts, bevor der erste Widerhall sie erreichte.
    Schmerz. Furchtbare Qual in ihrer linken Schulter; gleichzeitig explodierte hinter ihr etwas. Scharlachrot, das vor ihr ins Gras spritzte und die feuchten Halme mit Rubinen besetzte. Noch eine Explosion, und etwas schoß kreischend an ihr vorbei. Eine weitere, dann landete sie in einem erneuten Crescendo des Schmerzes auf dem Boden, während hinter ihr eine vierte und eine fünfte Detonation bellte. Nun rollte sie auf die linke Seite und mußte sich einen Schrei verbeißen, denn weißglühender Schmerz durchzuckte ihre Schulter, als sie damit das Gras berührte. Nur die Reaktionen, die sie in fünfunddreißig T-Jahren Kampfsport erlangt hatte, brachten sie dazu, sich in dem schlammigen, blutüberströmten Gras auf die Knie aufzurichten.
    Weniger als zwanzig Meter von ihr entfernt stand Pavel Young. In einer Wolke aus Pulverrauch zitterte seine Waffenhand. Aus Honors zerschmetterter Schulter quoll pulsierend das Blut, Knochensplitter glänzten schneeweiß in der Wunde. Ihr linker Arm war ein totes, unbewegliches Gewicht, in dem alle Schmerzen der Hölle tobten. Ihre Gedanken waren so klar wie gefrorener Kristall. Aus dem Augenwinkel sah sie Castellano, der mit wutverzerrtem Gesicht den Pulser in Anschlag brachte. Für Youngs Tat konnte es nur eine Strafe geben, und die Waffe des Schiedsrichters schwenkte auf ihr Ziel ein. Nur der Schock über den unglaublichen Bruch jeder Verhaltensregel hatte Castellano für einen Sekundenbruchteil gebremst – und er bewegte sich so langsam. Alle bewegten sich so langsam wie Traumgestalten. Plötzlich hatte Honor die eigene Hand erhoben und mit der Pistole gezielt.
    Young starrte sie mit aufgerissenen Augen an, aus denen der Wahnsinn funkelte. Noch immer hielt er die leergeschossene Waffe in der Hand. Honors Pistole ruckte in ihrer Hand, und eine scharlachrote Rose erblühte auf Youngs Brust. Honor fing den Rückstoß ab, brachte die Waffe wieder in Anschlag, schoß wieder. Und noch einmal. Dann erst begann Castellanos Pulser zu jaulen. Der Bolzenfeuerstoß riß Pavel Youngs Körper auf, und Blut und zerfetztes Gewebe spritzten umher. Aber da war er schon tot. Drei Zehn-Millimeter-Geschosse staken so nahe beieinander, daß ein Kleinkind die Einschüsse mit der Hand hätte bedecken können, dort in seiner Brust, wo sich einmal sein Herz befunden hatte.
     

Epilog
    In der Kommandantenkajüte von HMS Nike stand Honor Harrington und sah zu, wie MacGuiness das Lebenserhaltungsmodul Nimitz’ von der Schottwand abmontierte. Zum größten Teil waren Honors persönliche Besitztümer bereits fortgebracht worden. Armsman Candless ging mit einer verschlossenen Reisetasche, in der sich ihre letzten Uniformen befanden, an ihr vorbei. Draußen vor der Kabinenluke standen Andrew LaFollet und Simon Mattingly. Von der Couchlehne bliekte Nimitz sie leise an. Honor sah zu dem Baumkater hinab und versuchte zu lächeln. Mit der Spitze des Zeigefingers streichelte sie ihn zwischen den Ohren. Er sah zu ihr hoch und erhob sich auf der Sofalehne zu voller Größe. Mit einer Echthand griff er nach ihrer Uniformjacke, um sich Halt zu verschaffen, mit der anderen strich er ihr zärtlich über die Wange. Honor spürte seine Besorgnis, aber diesmal vermochte sie einfach nicht mit der Versicherung zu antworten, alles sei in Ordnung.
    Nicht zum ersten Mal versuchte sie ihren ruhiggestellten linken Arm zu bewegen und zuckte zusammen, als stechender Schmerz sie für ihre Vergeßlichkeit strafte. Sie hatte Glück gehabt, auch wenn es schwierig gewesen war, Nimitz davon zu überzeugen … Er hatte von der Verletzung in dem Augenblick gewußt, in dem Honor wieder an Bord gekommen war, und fast die Schottür des Lazaretts zerfetzt. Dann hatte er sich angespannt und nervös gleich außerhalb des Sterilfeldes, in dem Fritz Montaya ihre Schulter zu reparieren versuchte, niedergehockt und so laut geschnurrt, als wolle er bersten. Fritz hatte nicht alle Originalteile wiederverwerten können; die Kugel hatte Honors linkes Schulterblatt zerfetzt, war dann aufwärts weitergedrungen und an der Oberseite der Schulter ausgetreten, hatte dabei das Gelenk zerstört und die Schlagader nur knapp verfehlt. Schnellheilung konnte einiges vollbringen, aber Fritz war gezwungen gewesen, die Gelenkgrube wieder neu aufzubauen, damit die Therapie eine solide Grundlage fand. Während er arbeitete, hatte Mißbilligung sein Gesicht verzerrt.
    Aber Honor bereitete ihre Schulter keine Sorgen.

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