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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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welcher Teufel ihn geritten hatte, je die Position anzustreben, die er nunmehr innehatte. Geschah ihm wohl ganz recht; schließlich konnte er nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, was Cromarty dazu getrieben hatte, mehr als fünfzehn Jahre lang die Bürde des Premierministeramtes auf sich zu nehmen.
    »Und er hat überhaupt keinen Grund genannt?« vergewisserte Alexander sich schließlich und brach damit die tickende Stille, die an seinen Nerven zerrte.
    »Nein.« Cromartys Stimme war ein tiefer Bariton, so weich wie ein guter Whiskey, die potente und flexible Waffe eines Politikers, doch nun verriet sie seine Besorgnis. »Nein«, wiederholte er, »aber wenn der Anführer des Bundes der Konservativen um ein offizielles Treffen bittet und eine Com-Konferenz ablehnt, dann bedarf es keines Hellsehers, um zu ahnen, daß das Thema alles andere als zusagen wird.«
    Er lächelte schief; Alexander nickte bedächtig. Michael Janvier, der Baron von High Ridge, stand bei beiden Männern auf der Liste der beliebten Menschen nicht gerade sehr weit oben. High Ridge war kalt, hochnäsig, dünkelhaft und erfüllt von einem nur als bigott zu bezeichnenden Stolz auf seine eigene ›hochwohlgeborene‹ Abkunft. Die Tatsache, daß sowohl Cromarty als auch Alexander weit edleren Familien entstammten, schien für High Ridge weniger wichtig, eine bloße Bagatelle und allenfalls etwas, worüber man ärgerlich sein konnte, aber andererseits auch nichts, weswegen ein Baron von High Ridge sich Gedanken machen müßte.
    Typisch für diesen Kerl , überlegte Alexander säuerlich. Über seine eigene Herkunft dachte er nur sehr selten nach – und dann höchstens, um sich zu wünschen, er entstammte weniger prominenten und weniger mächtigen Vorfahren, und es stände ihm frei, die Familientradition der öffentlichen Verantwortung zu ignorieren, die sein Vater und sein Großvater ihm vorexerziert hatten und die jedem Alexander im Mark steckte. Abkunft hingegen bildete den Kern von High Ridges Existenz, war das einzige, was dem Mann wirklich etwas bedeutete: ein Garant für Macht und Ansehen. Im Herzen seiner politischen Philosophie konnte darum nichts anderes liegen als engstirnige Verteidigung aller Privilegien und Beibehaltung des Status quo. Genauer gesagt, handelte es sich dabei um den gemeinsamen Nenner des Bundes der Konservativen und erklärte, weshalb der Bund im Unterhaus, im Hause of Commons , so gut wie gar nicht vertreten war. Darüber hinaus begründete dies auch den fremdenfeindlichen Isolationismus, den der Bund vertrat. Denn schließlich konnte ja alles, was Spannungen oder gar Veränderungen im politischen System von Manticore verursachte, eine weitere gefährliche Kraft bedeuten, die es auf die Privilegien dieses hochwohlgeborenen Packs abgesehen hatte!
    Alexander verzog den Mund und ließ sich tiefer in seinen Sessel sinken. Gerade noch rechtzeitig ermahnte er sich, im Büro des Premierministers nicht zu fluchen. Und zügle deine Abneigung, wenn High Ridge endlich aufkreuzt! Ihre eigene Partei, die Zentralisten, besaß im Unterhaus eine klare Mehrheit von sechzig Stimmen, im House of Lords , dem Oberhaus, hingegen nur einen knappen Stimmenvorsprung, der nicht ausreichte, um Beschlüsse durchzusetzen. Durch die Allianz mit den Kronloyalisten und dem Bund hielt die Regierung Cromarty auch im Oberhaus eine knappe, beschlußfähige Mehrheit; ohne den Bund verschwand diese Majorität, und das machte High Ridge, so unerträglich der Mann auch wirkte und so widerlich er vermutlich wirklich war, einfach unverzichtbar.
    Ganz besonders im Augenblick.
    Die Com-Einheit auf Cromartys Schreibtisch verlangte summend nach Aufmerksamkeit. Der Herzog beugte sich vor und drückte eine Taste.
    »Ja, Geoffrey?«
    »Baron High Ridge ist soeben eingetroffen, Euer Gnaden.«
    »Aha. Ich lasse bitten. Wir haben ihn bereits erwartet.« Er ließ die Taste los und schnitt Alexander eine Grimasse. »Erwarten ihn bereits seit zwanzig Minuten. Warum zum Teufel kann der Kerl nicht einmal pünktlich sein?«
    »Du weißt genau, warum«, antwortete Alexander mit säuerlicher Miene. »Er will sicher gehen, daß du begreifst, wie verdammt wichtig er ist.«
    Cromarty schnaubte verächtlich, dann erhoben sich beide Männer von ihren Sesseln. Auf ihren Gesichtern machte der ehrliche Ausdruck einem gekünstelten Willkommenslächeln Platz, dann wurde High Ridge durch die Tür hereingeführt.
    High Ridge ignorierte den Butler. Selbstverständlich , dachte Alexander.

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