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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Selbsttechnologie, eine Technologie, die auf das eigene Leben angewandt und »Technik des Lebens« im Sinne von Lebenskunst werden kann. Bestandteil jeder Gen-Ethik ist daher sinnvollerweise von Grund auf die Lebenskunst des einzelnen Selbst, verstanden als bewusste Lebensführung und Lebensgestaltung, die einerseits für das private Leben, andererseits für den eigenen Anteil am gesellschaftlichen Leben Sorge trägt. Bewusstzu treffen ist eine individuelle Wahl nur auf der Grundlage von Klugheit . Deren Grundlage kann wiederum nur eine Sensibilisierung sein, hier vor allem eine strukturelle Sensibilisierung, die auf wissenschaftliches Wissen angewiesen ist, sowie eine virtuelle Sensibilisierung, die sich um ein Gespür für die sich abzeichnenden Möglichkeiten wie auch die potenziellen Gefahren bemüht. Die Sensibilisierung wird befördert von der Beteiligung an der Diskussion des jeweiligen Für und Wider, um sich im Austausch und in der Auseinandersetzung mit anderen klarer darüber zu werden, was plausibel erscheint und für »richtig« gehalten werden kann, was nicht, und schließlich zu einer eigenen Haltung zu kommen. Das Schwergewicht der je eigenen Existenz, das auf jeder Wahl lastet, nötigt dazu, eine bewusste, kluge, argumentativ abgewogene Wahl daraus zu machen, von der nicht zu befürchten ist, dass sie allzu beliebig getroffen wird.
    Einer Sensibilität bedarf das Selbst bereits hinsichtlich der genetischen Aufklärung in individueller Hinsicht, wenn mit den Ergebnissen einer Gen-Diagnostik das Wissen um die eigenen Gene in Frage steht. Nur das Selbst kann die Frage beantworten: Will ich das alles wissen? Nur auf der Grundlage eines willentlichen Wissens stellt sich sodann die weiter gehende Frage, gegebenenfalls genetisch einzugreifen oder nicht . Grundsätzlich kann das Selbst Nein dazu sagen, und sollte es diesen Verzicht leisten, so wird dies zu akzeptieren sein. Grundsätzlich kann die zu treffende Wahl eine aktive wie auch eine passive sein: einzugreifen oder aber mit Gelassenheit die genetischen Gegebenheiten walten zu lassen. Je nachdem, wie der Wahlakt des einzelnen Selbst ausfällt, wird dies die Entwicklung des Gen-Marktes beeinflussen, denn wenn angebotene Möglichkeiten nicht genutzt werden, wird in sie wohl auch nicht weiter investiert. Allerdings wird die Gen-Industrie alle denkbaren und undenkbaren Möglichkeiten bereitstellen, und sie werden verführerisch sein, da sie Selbstbestimmung und Selbstgestaltung in ungeahntem Maße ermöglichen. Genetische Selbstgestaltung heißt zunächst, frei werden zu könnenvon Beeinträchtigungen des Lebens, von denen der Betroffene frei zu sein wünscht: eine Realisierung negativer Freiheit , eines Freiseins von etwas, beginnend bereits mit dem banal erscheinenden Freisein von genetisch bedingtem Haarausfall oder zu starkem Haarwuchs an unerwünschten Stellen des Körpers, erst recht mit dem Freisein von genetisch bedingtem Übergewicht. Durch einige Pillen, vielleicht durch das Einreiben mit einer Salbe, rezeptfrei erhältlich, lassen sich womöglich genetische Korrekturen bewerkstelligen: Nanopartikel transportieren Gene und genverändernde Substanzen zielgerichtet an Ort und Stelle. Von ganz anderem Ernst ist dem gegenüber jedoch das Freiwerden von schweren Krankheiten. Auch wer nicht von einer leidfreien Welt träumt, wird niemandem Krankheiten wie die Schüttellähmung (Parkinson), Multiple Sklerose oder Mukoviszidose, diese Verschleimung der Atemwege, die zu einem frühen Tod führt, zumuten wollen, vielmehr jede Möglichkeit zur Heilung befürworten.
    Über das Freiwerden von Beeinträchtigungen und schweren Krankheiten hinaus eröffnet die Humangenetik jedoch zweifellos auch Möglichkeiten zur genetischen Selbstgestaltung im Sinne positiver Freiheit , einer Freiheit zu etwas, um sich selbst die erwünschte Form zu geben, und dies allerdings beliebig, vergleichbar den Eingriffen bei Schönheitsoperationen: Gen-Design als Bestandteil der Selbstgestaltung, um den Körper gemäß gängigen Normen oder eigenen Vorstellungen zu optimieren und auf diese Weise zum Kunstwerk zu machen. Dies beginnt bei plastischen Veränderungen des Körpers (»Meine Figur würde ich gern ein wenig ändern. Ansonsten bin ich eigentlich gegen die Gen-Sache«) und endet vielleicht bei charakterlichen Eigenschaften. Das für die Haarfarbe zuständige Gen ließe sich manipulieren, statt auf herkömmliche Weise die Haare stets neu färben zu müssen. Sportler könnten auf

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