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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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herstellbar? Und gibt es nicht ein Menschenrecht auf Glück ? Zweifellos, aber abgesehen davon, dass es sich nur um ein Recht auf Suche nach Glück handelt, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, was Glück überhaupt ist. Mit der Polarität des Lebens, die das ausschließlich Positive nicht zuzulassen scheint, muss vielmehr auch hier gerechnet werden. Unter der Hand kann aus einer harmlosen Veränderung am Körper eine weniger harmlose des Körpers werden. Was zunächst nur veränderlicher Lifestyle war, gerät unversehens zum unabänderlichen Schicksal, wenn der erwünschte und begrenzte chemische Eingriff letztlich unerwünschte, unbegrenzte Langzeitwirkungen nach sich zieht – oder dem Leben brüsk ein Ende setzt.
    Müssten nicht klare gesetzliche Vorgaben den Markt regulieren? Aber das würde nichts daran ändern, dass illegal und international »Nachahmerpräparate« gehandelt werden. Von größerer Bedeutung ist, was eine Kultur und mit ihr oder gegen sie das Selbst unter Leben versteht. Lebensstil und Lifestyle sind nichts anderes als der immer neue Versuch, den jeweiligen Begriff des Lebens in wirklich gelebtes Leben zu übersetzen. Da es dabei um »das Leben« geht, scheinen Kosten kaum eine Rolle zu spielen; daher die Hartnäckigkeit von Herstellern, diesen Markt zu bedienen, der mit der Wahl einzelner Individuen eröffnet – oder aber verschlossen wird. Von Interesse ist nicht primär eine Gesetzgebung für alle , sondern eine des Selbst für sich selbst , nach Maßgabe dessen, was es für sich für verantwortbar hält. Dasszur Arbeit an sich selbst, wo dies wünschenswert erscheint, die äußerliche Regulierung des eigenen Körpers gehören kann, seine Stilisierung, die Formung seiner Silhouette , ist nicht auszuschließen. Das persönliche Erscheinungsbild zu manipulieren, die eigene »Show« zu moderieren, verlagert jedoch auch missliche mediale Erfahrungen vom öffentlichen in den privaten Bereich: Erfahrungen der großen Leere unterhalb der Oberfläche. Beinahe erscheint es da als glückliche Entscheidungshilfe, dass das nachhaltige Begehren nach den einschlägigen Mitteln deren Preis hoch hält: Mag es bei Pillen für diejenigen bleiben, die »es sich leisten können«, für den Rest der Menschheit ist ihre Wirkung verzichtbar. Wenn sich nicht sicher vorhersagen ließe, dass es einen Verzicht nicht geben wird, nicht in diesen Dingen: Anstehende Revolutionen werden vermutlich den freien Zugriff auf Lifestylepillen zum Ziel haben. Und auf noch ganz andere Mittel der Manipulation seiner selbst.
Die Bedeutung von Genom und Proteom für das Selbst
    Das utopische Versprechen, das dem Jahr 2000 lange vor seiner Zeit vorauseilte, wurde eingelöst, als es im Juni 2000 hieß, der genetische Code des Menschen sei »entschlüsselt« worden. Ungeachtet dessen, dass eine wirkliche Entschlüsselung noch etwas länger dauern sollte, wurden mit der Entzifferung bereits Technologien möglich, die das Leben auf molekularer Grundlage beliebig gestaltbar erscheinen lassen. Nicht nur Leben allgemein, sondern auch menschliches Leben. Nicht nur das Leben anderer Menschen, sondern auch das eigene. Sich genetisch selbst zu gestalten, ist möglich geworden und wird wirklich werden. Wie Moderne funktioniert, lässt sich dabei noch einmal idealtypisch studieren: Das neu gewonnene Wissen über die Funktionsweise von Genen macht technische Anwendungen möglich, und der mögliche wirtschaftliche Profit aus deren Verkauf ist die Triebfeder, die wiederum die Arbeit des Wissens befördert; ein nicht unbedeutendes Nebenproduktist die potenzielle Hilfe für Bedürftige. Nutznießer kann im Zweifelsfall das Selbst sein, und aus dieser Perspektive ist die Gentechnologie zu betrachten, um sich nicht in abstrakten Erörterungen darüber zu verlieren. Der Preis des Nutzens ist, dass fortan jedes Selbst wählen muss, auch wenn es die Gentechnologie grundsätzlich ablehnt oder ignoriert: Eine zwingende Notwendigkeit, natürliche Gegebenheiten zu akzeptieren, besteht nicht mehr. Willentlich oder unwillentlich betritt das Selbst den Raum genetischer Freiheit, und zur neuen Notwendigkeit wird nun die Wahl. Manche wünschten sich Wahlmöglichkeiten und beklagten ihre Einschränkungen; nun aber kommen viele mit den anstehenden Akten der Wahl nicht zurecht.
    Die Epoche der Moderne, getragen von der Hoffnung auf Freiheit, erreicht mit der Gentechnologie einen äußersten Punkt absoluter Befreiung von Vorgaben der Natur. Die Differenz zwischen einer

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