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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Klärung der inneren Machtverhältnisse ist eine Organisation der vielen Stimmen, die »Ich« sagen, zur Gesellschaft , um auf die Situation zu antworten, dass nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Ichs in keinem Bezug mehr zueinander stehen. Nur dort aber, wo aufgrund der Klärung des Machtspiels eine innere Festigkeit, eineSelbstmächtigkeit und Macht über sich zustande kommt, nur dort lässt sich erwarten, dass auch das äußere Machtspiel im Maß gehalten werden kann.
    Denn dies ist das Problem der Macht : dass sie eine Versuchung zur Unmäßigkeit in sich birgt. Sie hat etwas Berauschendes an sich, das sich unweigerlich einstellt und dem noch schwerer zu widerstehen ist als dem Berauschenden aus anderen Quellen. Umfassenden Sinn vermittelt die Macht, denn der, der Macht hat, sitzt wie die Spinne im Netz von Zusammenhängen, die von ihm ausgehen und auf ihn zulaufen; daher auch das »Kleben« an der Macht, da abseits der Macht ein Abgrund an Sinnlosigkeit droht. Ihre berauschende Wirkung resultiert vor allem aus der Erfahrung einer Erweiterung des Selbst, je nach Reichweite der Macht, einzelne oder viele andere erfassend, auf deren Leben Einfluss genommen werden kann. Macht vermittelt eine Erfahrung der Transzendenz im Sinne des Wortes: Sie hat »überschreitenden« Charakter, sie überschreitet die Enge und Begrenztheit des Selbst zugunsten einer Weite und Unbegrenztheit, die ihm den Eindruck vermittelt, unendlich und unsterblich zu sein. Es gibt also Gründe dafür, warum Menschen, die die Macht kennen gelernt haben, nicht mehr von ihr lassen können: Ihre Existenz im weiten Raum steht auf dem Spiel. Die Rückkehr in das enge Verlies des Lebens ohne die Weite der Macht erscheint ihnen gleichbedeutend mit dem Tod. Entscheidend wäre, eine Erweiterung des Selbst beizeiten noch auf andere Weise erfahren zu können: als Erweiterung der Lebensmöglichkeiten, als seelische und geistige Erweiterung in den Beziehungen zu anderen und Anderem, Erweiterung auch durch den Bezug zu einer Dimension der Transzendenz im weiter reichenden Sinne des Wortes.
    Die Selbstmächtigkeit ist nun einzusetzen zur Selbstgestaltung, die das Selbst zum Gefüge macht, zusammengefügt aus Erfahrungen und Begegnungen, Umständen und Zufällen, unter Einbeziehung einer bewussten Konzeption des Selbst von sich. So wird es in einer Mischung aus aktiver Gestaltung undpassivem Gestaltetwerden zu einer mithilfe von Erfahrung und Selbstreflexion organisierten Gestalt , Gestalt als gelebte Philosophie, als strukturiertes und konfiguriertes Ganzes, festgefügt und doch veränderlich. In traditionellen Kulturen gewinnt das Selbst seine Gestalt weiterhin durch die Einpassung in vorgefundene Formen; dort aber, wo das Herkömmliche fragwürdig wird, wird die Gestaltbildung zur Aufgabe, die kaum je abzuschließen ist. Sie lässt sich entweder als Aufgabe des einzelnen Selbst nur für sich verstehen ( narzisstische Selbstgestaltung ), oder aber, umfänglicher und umsichtiger, als Arbeit an sich in der Auseinandersetzung mit anderen, in der Zuwendung zu ihnen oder gar im Dasein für sie ( altruistische Selbstgestaltung ). In keinem Fall kann es gleichgültig sein, wie das Selbst strukturiert ist, denn die aus der Gestaltbildung hervorgehende Struktur scheint in der Folge bestimmte Ereignisse, Begegnungen, Erfahrungen möglich oder gar wahrscheinlich zu machen, andere unmöglich oder unwahrscheinlich, zwar nicht mit Gesetzmäßigkeit, aber mit verblüffender Regelmäßigkeit, ganz so, als würde die Gestalt magnetisierend wirken, manches anziehend, anderes abstoßend. Entscheidend ist, in diesen Prozess bewusst eingreifen zu können, etwa wenn die Gestalt zu porös erscheint, jedwedem äußeren Zugriff ausgeliefert, problematische Geschehnisse geradezu magisch auf sich ziehend.
    Die Selbstgestaltung besteht im Zusammenfügen des Selbst zu einer Kohärenz , in der auch befremdliche Erfahrungen und noch das zeitweilige Zerrissensein Platz finden können, statt aufgehoben oder ausgeschlossen zu werden. Kohärenz, das ist der Zusammenhang des Selbst, seine innere Festigkeit, nicht so sehr seine »Einheit«, eher seine Integrität , eine Zusammenfassung des Auseinanderstrebenden, eine Leistung des integralen Selbst, desjenigen Selbst im Selbst, das sich mit umfänglichem Blick um die Gesamtheit des Selbst sorgt. Anderes, auch Fremdes kann dabei in das Selbst integriert werden, statt es als Bedrohung einer imaginären Identität , eines

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