Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
dachten, vielleicht die Gelegenheit zu kriegen, bei
Guten Morgen, Amerika
aufzutreten, mit dieser riesigen Trophäe … und mir.
Flüsternd fährt Rose fort. »Wir haben uns alle angesehen. Alle haben nur ganz leicht den Kopf geschüttelt – nein.«
Alle?
Ich zittere.
Rose schnieft und flüstert dann schließlich: »Also habe ich das Telefon zugeklappt und wir sind ins Flugzeug gestiegen. Ich … ich habe nie angerufen.«
Wie kann Stille so laut sein?
Mr Duming sagt schließlich leise: »Es tut mir so leid, Melody. So leid.«
Da bricht Rose in Tränen aus und legt ihren Kopf auf den Tisch.
»Kurz vor dem Wettbewerb«, erklärt Molly, »kam ein Reporter von der
Washington Post,
um das Team zu interviewen. Aber als er festgestellt hat, dass du nicht da warst, ist er wieder gegangen.«
Da geht Connor nach vorne, nimmt die Trophäe für den neunten Platz und bringt sie zu mir. Er stottert und leckt sich über die Lippen. »Äh, das Team will irgendwie, dass du sie kriegst, Melody. Sozusagen, um es wieder gutzumachen.« Er stellt sie auf mein Tablett.
Das Ding ist klein, aus billigem, angemaltem Plastik, um es wie Metall aussehen zu lassen. Sogar der Name der Schule auf der Tafel ist falsch geschrieben.
Ich schaue auf die hässliche kleine Statue und beginne zu kichern. Dann pruste ich los. Schließlich kugele ich mich vor Lachen. Meine Hand zuckt zur Seite und trifft die Trophäe – ich bin mir nicht sicher, ob es ein Unfall war oder nicht –, sie fällt zu Boden, wo sie in mehrere Teile zerbricht.
Überrascht starrt mich die Klasse an. Als sie feststellen, dass ich nicht total ausflippe, fangen sie schließlich auch an zu lachen – ein bisschen. Sogar Rose schnieft und lächelt.
»Ich will sie nicht!« , tippe ich endlich. Dann drehe ich die Lautstärke so weit auf wie möglich und füge hinzu: »Ihr habt sie verdient!«
Immer noch lachend, drücke ich den Power-Knopf an meinem Rollstuhl, wende geschmeidig und fahre mich selbst aus dem Klassenzimmer.
Kapitel 33
Die fünfte Klasse fällt wahrscheinlich vielen Kindern schwer. Hausaufgaben. Niemals ganz sicher sein, ob man cool genug ist. Klamotten. Eltern. Mit Spielsachen spielen und gleichzeitig erwachsen sein wollen. Achselschweiß.
Ich glaube, mir geht es auch so, und außerdem muss ich noch mit einer Million Schichten von anderen Dingen fertig werden. Leuten verständlich machen, was ich will. Mir Sorgen darüber machen, wie ich aussehe. Dazuzugehören. Wird mich je ein Junge mögen? Vielleicht bin ich doch nicht so anders als die anderen.
Es ist, als hätte mir jemand ein Puzzle gegeben, aber ich habe die Schachtel mit dem dazugehörigen Bild nicht. Also weiß ich nicht, wie das Endergebnis aussehen soll. Ich bin noch nicht mal sicher, ob ich alle Teile habe. Wahrscheinlich ist das kein guter Vergleich, denn selbst wenn ich wollte, wäre ich nicht in der Lage, ein Puzzle zusammenzusetzen. Obwohl ich normalerweise die meisten Fragen, die man in der Schule gestellt bekommt, beantworten kann, gibt es immer noch eine Menge Dinge, die mich in Erstaunen versetzen.
Penny kam aus dem Krankenhaus nach Hause, mit Beulen und Schrammen, einem Gips und einem neuen roten Hut. Karli liegt wieder in ihren Armen. Sie wird total verwöhnt. Mir macht das nichts aus. Sogar Toffee behandelt Penny, als wäre sie ein verletzter Welpe. Der Hund hat all seine Lieblingsplüschtiere in Pennys Zimmer geschleppt, als wären es Geschenke.
Heute arbeite ich an Miss Gordons Autobiografieprojekt. Mrs V. hat Elvira an den Computer angeschlossen. Klassische Musik sickert leise aus ihrem neuen iPod. Ich höre helles Lila.
Das hier wird eine Weile dauern. Mein Kopf ist vollgestopft. Ich habe eine Menge zu sagen und nur einen Daumen, mit dem ich es sagen kann.
Am besten fange ich ganz am Anfang an …
Worte.
Ich bin umringt von Tausenden von Worten. Vielleicht Millionen.
Kathedrale. Mayonnaise. Granatapfel.
Mississippi. Neapolitaner. Nilpferd.
Seidig. Furchterregend. Schillernd.
Kitzeln. Niesen. Wünschen. Sich Sorgen machen.
Worte sind schon immer um mich herumgewirbelt wie Schneeflocken – ein jedes zerbrechlich und einzigartig, ein jedes schmilzt unberührt in meinen Händen.
Tief in meinem Inneren, häufen sich die Worte in riesigen Verwehungen. Berge von Satzteilen und Sätzen und zusammenhängenden Begriffen. Clevere Redewendungen. Witze. Liebeslieder.
Von ganz klein auf – ich war höchstens ein paar Monate alt – waren Worte für mich wie süße,
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