Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
Aufzügen einpackten. Ich lehnte mich in eins der abgeteilten Séparées, um ein paar Sekretärinnen zuzuhören, die sich um den Arbeitsplatz von irgendjemandem drängten. Sie sahen sich einen Videostream an, der bei Youtube hochgeladen worden war.
So ein verlauster Restauranttester hatte seine Kritik über ein Diner in East-Manhatten gefilmt und streamte diese. Bei dem Diner handelte es sich um eins dieser richtig protzigen Restaurants mit Tischen aus Mahagoniholz, in dem die Kellner alle einen Smoking und blendend weiße Hemden tragen mussten.
In dem Video war ein Typ zu sehen, der aussah wie ein Anwalt mit einem perfekt gelegten Hundert-Dollar-Haarschnitt. Er hatte wohl zu viel von seinem Steak gefressen und war am Tisch tot umgekippt.
Der Computer im Büro hatte keine Lautsprecher, aber man konnte die Situation aufgrund der gestochen scharfen Bilder auch ohne Ton erfassen.
Als einige Kellner dem Typen zur Hilfe eilten, wachte der Vielfraß plötzlich wieder auf. Ein Kellner wollte ihm gerade auf den Rücken klopfen. Der Anwalt schnellte herum und biss dem armen Kerl ein Stück Fleisch aus dem Hals. Das Blut sah nicht so aus, wie Filmblut. Es war dunkel, fast schwarz und sprudelte in rhythmischen Fontänen über die Reste des Steaks. Der Kellner fiel sofort zu Boden und eine Lache breitete sich über die Fliesen aus. Sein Smoking wurde durch diese Sauerei besudelt und sein Hemd war nun nicht mehr weiß.
In diesem Augenblick gab es ein vorsichtiges Lachen unter denen, die um den Computer herumstanden. Es hörte sich an, als ob die Lachende damit hinterfragen wollte, ob das Gesehene wirklich echt war.
Die Aufzeichnung brach ab. Vorher konnten wir noch sehen, wie der Anwalt auf eine Gruppe Frauen zustürmte, die schreckensstarr hinter ihm saßen. Zur selben Zeit konnte man in der rechten unteren Ecke des Videos den mit seinem eigenen Blut besudelten Kellner erkennen. Dieser setzte sich plötzlich auf und starrte den Mann hinter der Kamera mit wildem Blick an.
Nun strömten die Meldungen von überall herein. Es war nicht wie in den Filmen. Es gab keine herumstolpernden und verrotteten Leichen, die aus ihren Grabstätten krochen, und auch keinen Haufen Verrückter in Sonntagsgewändern. Es war das alltägliche Sterben, das diesen Shitstorm losgetreten hatte.
Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass in New York hundertfünfzig Menschen pro Tag starben. Fahrradunfall, Autounfall, hohes Alter oder durch sonst was.
An diesem Tag kehrten sie zurück. Und sie kehrten schnell zurück. Die Rigor Mortis hatte noch nicht einmal Zeit, die Gliedmaßen erstarren zu lassen.
Als die Scheiße anfing, schienen diese Bastarde fliegen zu können und sie rissen jeden auseinander, den sie erwischen konnten. Diese Toten würden wiederum erwachen und noch mehr Leute auseinanderreißen. Es war eine Art Virus, der sich rasend schnell ausbreitete und jeden infizierte, der gebissen wurde.
Die Schwachen und die Langsamen traf es an diesem ersten Tag am härtesten. Man konnte sagen, dass jeder, der auf einem Scooter durch ein Lebensmittelgeschäft fahren musste, weil er sich zweihundert Pfund zu viel angefressen hatte, geliefert war.
***
Ich spürte, wie mein Mobiltelefon in meiner Anzugtasche vibrierte.
Nur noch halbe Akkuleistung , dachte ich, während ich mit einem Fingerwisch das Telefon entriegelte und den Anruf entgegennahm.
»Bist du immer noch in New York?«, fragte meine Frau Jenn verzweifelt.
»Ja. Etwas geht da draußen vor sich.«
Ich merkte selbst, dass meine Stimme merkwürdig klang.
»O mein Gott. Nein. Es ist überall in den Nachrichten.«
»Was?«
»Die Toten leben, John. Sie wissen nicht wie oder warum, aber die Toten stehen auf. Sie töten andere Menschen. Es fing in New York an. Du musst sofort zum Flughafen. Verschwinde aus der Stadt. John? John!«
Diese Nachricht schockierte mich zutiefst. Ich antwortete, dass ich am Bürofenster stehen würde, das der Straße zugewandt war. Ich sah ein umgedrehtes Auto und konfus umherlaufende Leute, und versuchte zu verstehen, was passierte.
»Da unten sieht es nicht gut aus, Jenn. Ich … ich denke nicht, dass ich es bis zum Flughafen schaffen werde.«
»Du brauchst ein Auto! Oder suche dir einen anderen Weg, um da rauszukommen!«, kreischte sie.
Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Plötzlich spürte ich Dringlichkeit und umklammerte das Handy noch fester. »Es tut mir leid, Jenn«, platzte es aus mir heraus, »wegen heute Morgen, wegen unseres
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