Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
halten und auf den Lieutenant hören sollen. Doch Bowman regt sich nicht, sondern sitzt mit offenem Mund da, wenn er nicht gerade vor sich hin brummelt, die ganze Sache ergebe keinen Sinn. Falls nur drei bis fünf Prozent der Betroffenen Tollwut-Symptome äußern und innerhalb einer Woche sterben, wie können sie dann eine so große Bedrohung darstellen? Egal zu welchem Zeitpunkt – auf mehr als 10.000, höchstens 15.000 in ganz Manhattan kann es nicht hinauslaufen. Zugegeben, dies ist eine beträchtliche Menge, aber sie sind weit verstreut.
Wie kann es so viele Tollwütige geben?
Kemper zweifelt plötzlich daran, dass der Lieutenant sie alle unversehrt durchbringt. Nachdem sie ein Jahr lang gemeinsam im Irak gedient haben, empfindet er diese Vorstellung als Treuebruch, und das beunruhigt ihn. Zudem muss er feststellen, dass er mit Lewis übereinstimmt: Die Army verheimlicht ihnen etwas Wichtiges. Wie der Lieutenant deutlich machte, sind ihre Kenntnisse über den Stand der Dinge sehr, sehr beschränkt, und Kemper überlegt nun, wie teuer es sie zu stehen kommen wird, sobald die Rechnung fällig ist.
Das Ekelhafteste, was ich je gerochen habe
Private First Class Jon Mooney liegt im Dunkeln auf seiner Pritsche und kann nicht schlafen. Er ist unruhig, starrt vor sich hin und hat einen trockenen Mund, nachdem er Tag und Nacht mit einer Grippemaske herumgelaufen ist. Immer wieder spielt sich die Erschießung vor seinem geistigen Auge ab: Taten Sie das Richtige? Den Anblick des Tollwütigen, der sich im Stacheldraht verstrickt kreischend in seinem eigenen Blut wälzte, bekommt er nicht aus dem Kopf.
Seine Kameraden von Gruppe 1 schnarchen leise ringsum. Collins lallt unverständlich im Schlaf, überwiegend zusammenhangloses Zeug, das allerdings mit der Frage »Brathähnchen?« und einem rauen Kichern endet. Jemand anderes lässt einen fahren und dreht sich um. Mooney mag diese Kerle; sie kommen ihm vor wie Brüder, sind gemeinsam mit ihm durch die Hölle und wieder zurückgegangen, aber er erträgt sie nicht mehr und wäre liebend gerne eine Zeitlang allein.
Als er sich zur Seite dreht, bemerkt er, dass Private First Class Wyatt ihn ansieht, denn dessen Augen schimmern im Dunkeln. Er nimmt seine Kopfhörer ab und fragt: »Bist du noch wach, Mooney?«
»Kann nicht pennen, und du?«
»Bin am Chillen, Kumpel.«
»Alles klar. Dann gute Nacht, Joel.«
»Nacht.«
Mooney schließt die Augen, verdrängt die Schießerei und versucht stattdessen, sich zu vergegenwärtigen, wie Laura aussieht. Eigentlich sind die beiden kein Paar mehr, aber auch das blendet er aus. Bevor er in den Irak ging, sagte er ihr, es sei vernünftig, Schluss zu machen. Vom damaligen Standpunkt aus betrachtet steht er auch heute noch zu dieser Entscheidung, zumal er sich seinerzeit bereits länger damit grämte, dass er bisweilen an ihrer Schönheit zweifelte und erwog, etwas Besseres verdient zu haben. Leider sah er dabei nicht kommen, wie hart es in Übersee zugehen und wie einsam er sich fühlen sollte. Jetzt beharrt er darauf, sie immer noch zu lieben – sein Rettungsanker in dieser turbulenten Welt. Im Übrigen sprang sie etwas zu eifrig auf seinen Vorschlag an, neue Bekanntschaften zu schließen, und dies lässt ihm schon seit seiner Entsendung keine Ruhe.
»Hey, Mooney.«
»Was ist, Joel?«
»Ich hab Bock auf Glotze. Oben in den Krankenzimmern stehen Fernseher, richtig? Bist du dabei?«
Ein Gefühl gleich elektrischen Stroms, der seinen Kreislauf anregt, lässt Mooney mit einem Satz von der Pritsche aufspringen. Binnen weniger Sekunden haben die beiden T-Shirts und Hosen angezogen und trippeln barfuß auf Zehenspitzen in den Flur. Sie bemühen sich, nicht zu lachen, als sie am Büro des Gebäudetechnikers vorbeihuschen, in dem der Lieutenant, der Platoon Sergeant sowie die Gruppenführer angespannt die Köpfe zusammenstecken, um sich zu beratschlagen.
Die beiden verharren und lauschen.
»Meine Frau ist allein dort draußen mit meinem Sohn, und ich werde sie beschützen«, hören sie jemanden sagen.
Lewis?, fragt Mooney lautlos. Wyatt zuckt mit den Achseln.
»Richtig«, erwidert eine zweite Stimme. »Sie ist allein dort draußen. Was, wenn sie eine von denen wird? Wollen Sie, dass wir auch sie erschießen?«
»Ich sage Ihnen eines«, hebt Lewis an. »Falls ich mich in so etwas verwandle, möchte ich, dass Sie mir einen Kopfschuss verpassen.«
»Was zum Henker, over?«, flüstert Mooney.
»Was zum Henker, Ende«, antwortet
Weitere Kostenlose Bücher