Mitarbeiter sind so verletzlich
langsamen Gang einlegen“. Versuchen Sie, Zusammenhänge, Strömungen und Netzwerke zu erspüren und gegebenenfalls aufzubauen. Erst danach können Sie versuchen, das Team langsam auf die von Ihnen gewünschte Gangart einzustellen.
Wenn Sie vom ersten Tag an alles Bisherige umwerfen wollen, so werden Sie bei Ihren Mitarbeitern sehr rasch gegen eine Wand aus Gummi laufen. Und: Das kann ich dann sogar ein wenig verstehen. Denn die Mitarbeiter müssen sich erst öffnen, um sich mit den Konzepten „des Neuen“ identifizieren zu können. Vorher ist es reine Befehlsausführung mit allen bekannten Nachteilen des fehlenden Engagements und der Motivationslosigkeit .
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Wenn Sie einen Coach oder einen anderen Berater engagieren, um Ihnen aus einer Klemme zu helfen, so müssen Sie diesen – totale Unfähigkeit des Beraters ausgeschlossen – unbedingt sein Projekt zu Ende führen lassen. Das vorzeitige Ablösen von Beratern wird von den Mitarbeitern immer auch als Schwäche der Führenden ausgelegt. Außerdem schaffen unterschiedliche Lösungsansätze in kurzen Zeiträumen hintereinander eine mehr als zermotivierende Orientierungslosigkeit unter allen Betroffenen.
Man benötigt einen sehr hohen kommunikativen Aufwand, um diese Orientierungslosigkeit zu beseitigen. Mit kernigen Parolen die an die Stirnwand des Raumes für die Jahrestagung genagelt oder mit sündhaft teuren Videofilmen auf eine Riesenleinwand projiziert werden, ist es nicht getan.
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Wie man es nicht machen sollte:
Neue Ziele setzen, bevor die alten erreicht sind
Vor einem halben Jahr war ich in São Paulo, um im Rahmen eines Workshops den Mitarbeitern der brasilianischen Tochter eines großen deutschen Unternehmens zu helfen. Es gab neue Vorgaben aus Deutschland, die – unter leicht erschwerten Bedingungen – umgehend in alle Planungen einfließen sollten. Für die Brasilianer bedeutete das noch mehr Arbeit. Dies störte sie weniger als die Tatsache, dass sie zwar neue Umsatzvorgaben bekommen hatten, man ihnen aber zugleich mitgeteilt hatte, dass sie dieses Jahr erneut (!) nicht mit einer Gehaltserhöhung rechnen konnten. Sie hatten jetzt schon angesichts der grassierenden Inflation große Probleme, ihren bescheidenen Lebensstandard zu halten. Trotzdem waren wir alle imstande, im Rahmen unserer Arbeit konkrete Schritte zur Erreichung der vorgegebenen Ziele einzuleiten.
Vor wenigen Wochen war ich erneut in Brasilien. Es war „Halbzeit“ in diesem Projekt und damit an der Zeit, den Stand der Dinge und die bisherigen Arbeitsergebnisse zu überprüfen. Ich wurde von einer Gruppe von dynamisch agierenden Mitarbeitern überrascht, die fast alle bis dahin angestrebten Teilziele erreicht hatten! Man hatte die Mutlosigkeit des Vorjahres überwunden und wahrlich hervorragende Arbeit geleistet. Dies zeigte sich nicht zuletzt in deutlich verbesserten Umsatzzahlen. Noch während ich am Morgen mit den Mitarbeitern im Rahmen eines kleinen Umtrunks feierte, wurde mir vom Teamleiter eine E-Mail aus Deutschland übergeben. Darin wurde dem Leiter die erneute Erhöhung der Umsatzziele mitgeteilt. Das machte die bisherige Arbeit zu einem Teil sinnlos und erforderte völlig neue Wege in den Marketingstrategien. In der gleichen E-Mail wurde dem Leiter mitgeteilt, dass man ihm – „im Zuge der vom Vorstand beschlossenen Sparmaßnahmen“ – sein Marketingbudget um zwanzig Prozent kürzen würde. Der Mann hatte fast Tränen in den Augen. Mir platzte beinahe der Kragen! Der Zeitunterschied machte es möglich – ich rief sofort in Deutschland an. Der Absender der Nachricht – mein Auftraggeber und zugleich Vorgesetzter des brasilianischen Ländervertreters – erklärte mir, man hätte ihm vonseiten des Vorstandes ultimativ vorgegeben, bis zum Ende des Geschäftsjahres mindestens fünfzehn Prozent mehr Umsatz einzufahren. Gleichzeitig hatte ihm der Chefcontroller des Konzerns mitgeteilt, dass er im Marketingbudget „ohne Wenn und Aber“ eine bestimmte Summe einzusparen hätte.
Woher der Controller die Logik nahm, neue, noch umfangreichere Marketingmaßnahmen bei gleichzeitiger Kürzung des Marketingbudgets zu ergreifen, ist mir bis heute ein Rätsel. Der deutsche Manager bat mich „um Vermittlung“ in Brasilien und schloss das Gespräch mit dem, ach so ergreifenden Satz: „Herr Maro, ich vertraue Ihnen da voll und ganz. Sie machen das schon!“ Es gelang mir nur deshalb, die Situation zu retten, weil das Team bereit war, die Agenda der nächsten Tage zu ändern.
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