Mitarbeiter sind so verletzlich
Wir verbrachten einen vollen Tag mit der Planung von unterschiedlichen Szenarien nach dem (immer erfolgreichen) Denkmuster „ Best Case / Worst Case “. Im Rahmen eines „Worst-Case-Szenarios“ war es möglich, Perspektiven und dann Lösungsansätze für die nun gültigen Vorgaben zu finden. Es gelang jedoch nicht mehr, das – für die brasilianische Unternehmenstochter so wichtige – Team innerlich auf die neuen Ziele einzuschwören. Da war jegliches Vertrauen zum Management zerbrochen. Dem eigenen Teamleiter glaubte man so gerade noch. Aber jedes Teammitglied beschloss wohl für sich selbst, von jetzt ab „Dienst nach Vorschrift“ zu machen und nicht noch mehr Energie in ein Unternehmen zu stecken, dessen deutsche Manager offensichtlich ihre bisherige Arbeit nicht einmal mehr mit einer Nebenbemerkung würdigten.
Ein klassischer Fall von nachhaltiger Zermotivierung . Was wird passieren? Die neuen Ziele werden sicher nicht erreicht werden. Wahrscheinlich wird man dann erst das brasilianische und anschließend das deutsche Bereichsmanagement auswechseln. Aber auch die neuen Manager werden wenig Chancen haben, Vertrauen zu gewinnen. Altlasten wirken lange nach …
Und noch ein ähnliches Beispiel, das mir gestern Abend ein befreundeter Manager schilderte: Er ist Geschäftsführer der deutschen Tochter eines amerikanischen Konzerns und hat es letztes Jahr geschafft, nicht nur den Umsatz in einem Jahr um 80 (!) Prozent zu steigern, sondern zugleich auch weltweit im Konzern die höchste Umsatzrendite zu erarbeiten. Dies hat er nicht nur mit dem geringsten Anteil aller Länder an Manpower erreicht. Zugleich hatte er es auch geschafft, diese Gewaltanstrengung ohne übermäßig große menschliche Energieverluste bei seinen Mitarbeitern zu bewältigen. Er hatte also nicht nur sehr rasch Erfolge eingefahren, sondern zugleich auch wertvolle Bausteine bereitgelegt, um im kommenden Jahr auf diesem hohen Niveau weitermachen zu können.
Vernünftigerweise wäre jetzt dem Unternehmen hier eine kleine Verschnaufpause zu gönnen, in der bestehende Kundenbeziehungen gefestigt und die Erfolge der letzten zwölf Monate noch einmal hinsichtlich ihrer Zukunftsperspektiven überprüft werden können. Der Umsatz kann dann gehalten werden. Dies allein wäre schon eine Leistung, denn man bewegt sich in „ziemlich dünner Luft“. Da man frohen Mutes und gut motiviert ist, könnte man sogar versuchen, auf den letztjährigen Superumsatz noch ein klein wenig oben draufzulegen. Mit sportlichem Ehrgeiz und in dem Bewusstsein, dass man der Beste ist, macht Arbeit Spaß. In diesen Tagen hat man dem Geschäftsführer die Forderungen seiner Chefs für das nächste Jahr mitgeteilt: Man erwartet eine Verdopplung des nun erreichten Umsatzes bei gleichzeitiger Reduzierung der Personalkosten …
Motivierte Mitarbeiter
verzeihen ihrer
Führungskraft vieles.
Nur zwei Dinge nie:
Schlechtes Benehmen
und Unfairness .
Diese Herren in Illinois haben in Harvard und sonst wo ihre Diplome mit erstklassigen Noten erhalten. Aber dort ist es wie in allen Universitäten dieser Welt. Man lernt viel Theorie. Zur richtigen Führungskommunikation gibt es kaum praxisgerechte Seminare. Da jedoch bei fast allen Managern immer die persönliche Karriere im Vordergrund steht, sind rasch vorzeigbare Erfolge oft wichtiger als langfristig erfolgreich wirkende Strategien. Zusätzlicher Druck wird noch durch Aktionäre oder deren Vertreter ausgeübt. Anleger und Börsengambler in aller Welt sind an Maßnahmen und Verfahrensweisen, die auf langfristige Sicherheit abzielen, wenig interessiert, da diese am Anfang eher Geld kosten.
Was lernen wir daraus?
Es ist ein – nachhaltig zermotivierender – Fehler vieler Führungskräfte, neue Ziele vorzugeben, bevor die alten auch nur annähernd erreicht sind, obwohl die Mitarbeiter fieberhaft daran arbeiten. Hier gilt das Gleiche wie bei der Festsetzung von Unternehmensstrategien . Sie müssen sich – und vor allem auch Ihren Mitarbeitern eine Chance geben, Ziele zu erreichen. Je öfter Sie die Ziele ändern, bevor sie auch nur ansatzweise erreicht sind, desto zaghafter werden alle im Unternehmen ihre (immer wieder neu definierte) Arbeit beginnen. Versetzen Sie sich (möglichst immer wieder) in die Situation Ihrer Mitarbeiter. Dann sähe diese Situation symbolisch für Sie etwa so aus: Sie stehen frohen Mutes und hoch motiviert vor der zweiten von mehreren riesigen Granitstufen, die es – dem Unternehmensziel folgend – in
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