Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
etwas weniger wichtig am Rande mitlaufen. Dies ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil – die «eigentliche» Hauptbotschaft wird oft implizit gesendet. Manche Sender haben geradezu eine Meisterschaft darin entwickelt, ihre Aussage durch implizite Botschaften an den Mann zu bringen, um sie notfalls dementieren zu können («Das habe ich nicht gesagt!»).
Nonverbale Nachrichtenanteile. Für implizite Botschaften wird oft der nichtsprachliche Kanal bemüht: Über die Stimme, über Betonung und Aussprache, über begleitende Mimik und Gestik werden teils eigenständige und teils «qualifizierende» Botschaften vermittelt. Mit «qualifizierend» ist gemeint: Die Botschaften geben Hinweise darauf, wie die sprachlichen Anteile der Nachricht «gemeint» sind. Ein Satz wie «Das sollst du mir büßen!» hängt in seiner Bedeutung entscheidend davon ab, wie die nichtsprachlichen Begleitsignale aussehen bzw. sich anhören (s. auch S. 41). «Nonverbale Kommunikation» hat sich in letzter Zeit zu einem bedeutsamen Forschungsgebiet und zu einem (besonders für die therapeutische Kommunikation) wichtigen Beobachtungsfeld entwickelt.
Lässt sich das Modell auch auf rein nicht-sprachliche Nachrichten anwenden? Ja. Hier ist allerdings meist die Sach-Seite leer. Angenommen, jemand weint. Alle restlichen drei Seiten dieser Nachricht können wichtige Botschaften enthalten. Selbstoffenbarung: vielleicht Traurigkeit, seelisches Elend, vielleicht Freude – jedenfalls emotionale Bewegtheit. Beziehung: vielleicht eine Bestrafung des Empfängers («Da siehst du, was du angerichtet hast, du gemeiner Kerl!»). Appell: Vielleicht handelt es sich bei dem Weinen auch um eine (bewusste) Strategie, um Zuwendung oder Schonung zu erhalten (s. Abb. 6).
Abb. 6:
Drei Seiten einer nicht-verbalen Nachricht.
«Man kann nicht nicht kommunizieren.» Dieses «Grundgesetz» der Kommunikation (Watzlawick 1969) ruft uns in Erinnerung, dass jedes Verhalten Mitteilungscharakter hat. Ich muss gar nicht etwas sagen, um zu kommunizieren. Jedes Schweigen ist «beredt» und stellt eine Nachricht mit mindestens drei Seiten dar. Angenommen, ich betrete ein Zugabteil. Jemand sitzt darin, und ich begrüße ihn mit einer freundlichen Bemerkung. Er reagiert nicht und liest weiter in seiner Zeitung. Die Nachricht, die ich «höre», liegt in Abb. 7 unter der kommunikationspsychologischen Lupe:
Abb. 7:
Jedes Verhalten hat Mitteilungscharakter, hier: Das Schweigen im Zugabteil.
Jedes in einem zwischenmenschlichen Kontext gezeigte Verhalten hat einen quadratischen Charakter und wird als solches aufgenommen.
5.2
Kongruente und inkongruente Nachrichten
Das gleichzeitige Enthaltensein von sprachlichen und nichtsprachlichen Anteilen an der Nachricht eröffnet einerseits die Möglichkeit, dass sich diese Anteile gegenseitig ergänzen und unterstützen, andererseits aber auch die verwirrende Möglichkeit, dass sie einander widersprechen.
Eine Nachricht heißt kongruent , wenn alle Signale in die gleiche Richtung weisen, wenn sie in sich stimmig ist. So passt ein wütender Blick und eine laute Stimme zu dem Satz «Ich will dich nicht mehr sehen, du Schuft!»
Besondere Beachtung dagegen haben in der kommunikationspsychologischen Literatur der letzten Zeit Nachrichten erfahren, die inkongruent sind, wo also die sprachlichen und nichtsprachlichen Signale nicht zueinander passen, in Widerspruch zueinander stehen. So mag jemand auf die Frage «Ist irgendwas los mit Ihnen?» antworten: «Es ist alles in Ordnung!», aber durch Tonfall und Mimik deutlich ausdrücken, dass doch etwas nicht in Ordnung ist (s. Abb. 8 a). – Auch der umgekehrte Fall ist vorstellbar und häufig anzutreffen (Abb. 8 b).
Abb. 8:
Beispiele für inkongruente Nachrichten.
In Anlehnung an Haley (1978) soll dieser Sachverhalt nun noch einmal etwas theoretischer und systematisch betrachtet werden. Wir haben zwischenmenschliche Kommunikation bisher deshalb als so verwickelt erfahren, weil jede gesendete Nachricht ein ganzes Geflecht von Botschaften darstellt. Jetzt wird die Sache noch einmal um eine Stufe komplizierter: Der Sender kommuniziert – ob er will oder nicht – immer auch auf zwei Ebenen gleichzeitig: Auf der Mitteilungsebene und auf der Metaebene. Die Botschaften dieser beiden Ebenen «qualifizieren» einander, d.h. geben wechselseitig Interpretationshilfen darüber, wie die Botschaft der anderen Ebene gemeint ist. Die Menschen sagen nicht nur etwas, sondern qualifizieren das
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