Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
in das Telefon eingebaut hatte, um ihre Gespräche kontrollieren zu können.
Oft ist es hilfreich, den Beteiligten ihren Teufelskreis grafisch zu präsentieren; dies ist der Augenblick, wo beide staunend die Köpfe zusammenstecken und sich dann anschauen (siehe Abb. 3a).
Abb. 3a:
Teufelskreis zwischen «Geheimniskrämerin» und «Spion»
Die allgemeine Struktur eines einfachen Kreislaufes ist aus dem Beispiel (siehe Abb. 3b) bereits ersichtlich: Wir unterscheiden vier Stationen (Thomann u. Schulz von Thun, 1988), wobei in die eckigen Kästen die äußerlich sichtbaren und wirksamen Verhaltensweisen («Äußerungen») beider Partner eingetragen werden und in die Kreise ihre inneren Reaktionen («Innerungen») darauf:
Abb. 3b:
Allgemeine Struktur eines zwischenmenschlichen Kreislaufs mit vier Stationen
Die Einbeziehung der jeweiligen inneren Reaktionen in das Schema erleichtert die Integration von Humanistischer Kommunikationspsychologie und Systemischer Psychologie. Denn für die Selbstklärung und Selbstkundgabe sind die Inhalte der Kreise zu erkunden; entsprechend ist der Klärungshelfer bemüht, die bei den Partnern typische «senkrechte» Kommunikation (Vorwürfe von oben nach unten bzw. von unten nach oben) in eine «waagerechte» zu verwandeln:
Abb. 4:
Umwandlung einer «senkrechten» in eine «waagerechte» Kommunikation (z.B. durch Intervention eines Klärungshelfers)
Diese Verbindung zur Gesprächshilfe ist jedoch für den vorliegenden Zusammenhang zweitrangig. Wichtig ist die Einübung in das systemische Denken , das durch die Zirkularität dieses Schemas, welches keinen Anfang und keine Ursache, sondern nur Wechselwirkungen kennt, angeregt wird.
Üben wir nun noch ein wenig, diesen systemischen Blickwinkel einzunehmen, indem wir das allgemeine Schema in verschiedenen Lebensbereichen aufsuchen. Wer sich dafür interessiert, wie solche zwischenmenschlichen Teufelskreise im konkreten Fall ermittelt werden (Diagnose) und wie eine «Systemtherapie» aussehen kann, sei ausführlich auf Thomann und Schulz von Thun (1988, S.226–298) verwiesen.
2.2
Beispiel Kindererziehung
Immer mal wieder pufft und knufft das vierjährige Schwesterchen das zweijährige Brüderchen. Plötzlich stürzt «aus Versehen» sein Turm aus Bauklötzen ein, dann wieder schubst sie ihn unsanft vom Stuhl usw. – kurzum: Schwesterchen piesackt Brüderchen. Wenn die Mutter das sieht, empört sie sich natürlich über die Hinterhältigkeit von Schwesterchen und ist voller Mitleid mit dem weinenden Brüderchen. Sie reagiert also völlig logisch. Entsprechend schimpft sie mit Schwesterchen und nimmt Brüderchen tröstend in den Arm. Wie reagiert Schwesterchen? Schon immer hatte sie das Gefühl, dass Mami Brüderchen mehr lieb hat, und fühlt sich darin erneut bestätigt und zurückgesetzt. Eifersucht macht aggressiv. Aber gegen seine eigene Mutter darf man nicht böse werden. Brüderchen jedoch, das an allem schuld ist, hat es mal richtig verdient – zumindest, wenn keiner guckt. Also: Schwesterchen piesackt Brüderchen.
Wenn Mutter sich diesen Zusammenhang klarmacht, kann sie vielleicht beim nächsten Mal statt logisch nun psycho-logisch reagieren: nämlich statt des Brüderchens einmal Schwesterchen auf den Arm nehmen. – Wird dadurch aber nicht das Fehlverhalten am Erfolg gelernt? Dies wäre im Rattenlabor tatsächlich der Fall. Beim Menschen sind derart mechanische Konditionierungen von innerer Psychodynamik und von kognitiver Einsicht so stark überlagert, dass genau das Gegenteil herauskommen kann. Einem «unerhörten» Betragen liegt zugrunde, in einem wichtigen Anliegen «un-erhört» zu sein – deshalb müssen, nachdem die Botschaft nicht angekommen ist, «schwere Geschütze» aufgefahren werden. Diese werden überflüssig, wenn man erhört worden ist.
2.3
Beispiel Berufsleben
Zwei Kollegen arbeiten hierarchisch gleichgestellt in einer Arbeitsgruppe. Der eine (oder soll ich beim anderen anfangen? Das ist bei derart zirkulären Strukturen ja willkürlich; am besten, man hat gleich den ganzen Kreislauf «auf einen Blick», betrachten Sie also jetzt schon das Schema auf S.39!) – der eine (A) also schiebt manches, was zur Bearbeitung anstünde, auf die lange Bank. Der andere (B), der seinen Pappenheimer schon kennt und weiß, dass dieser die Repräsentationspflichten bei den Kunden mehr schätzt als die mühsame Aktenkleinarbeit, wird langsam nervös: «Wenn das nicht termingerecht erledigt wird, dann kriegt
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