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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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jedem Wert liegt eine ‹Quaternität von Werten› eingeschlossen … Dieses Wertequadrat ‹verklammert› also die vier Begriffe miteinander. Jeder wird damit doppelt gegensätzlich präzisiert» (Helwig, 1967, S.66).

    Bei diesem Quadrat entstehen nun vier Arten von Beziehungen, durch die das Verhältnis der Begriffe zueinander charakterisiert ist:

    1. Die obere Linie zwischen den positiven Werten bezeichnet ein positives Spannungs- bzw. Ergänzungsverhältnis , wir können auch von einem dialektischen Gegensatz sprechen.
    2. Die Diagonalen bezeichnen konträre Gegensätze zwischen einem Wert und einem Unwert;
    3. die senkrechten Linien bezeichnen die entwertende Übertreibung ;
    4. die untere Verbindung zwischen beiden Unwerten «stellt gleichsam den Weg dar, den wir beschreiten, wenn wir dem einen Unwert entfliehen wollen, aber nicht die Kraft haben, uns in die geforderte Spannung der oberen Pluswerte hinaufzuarbeiten. Also wenn wir aus einem Unwert in den entgegengesetzten anderen Unwert fliehen. Die Verbindung zwischen den unteren Begriffen stellt also die Fehlleistung einer « Überkompensation [4] des zu vermeidenden Unwertes durch den gegenteiligen Unwert dar» (Helwig, 1967, S.66).

    Abb. 6:
    Das Netz von Beziehungen zwischen den 4 Polen des Wertequadrates
    Diese Wertequadrat-Struktur ist der von Aristoteles in seiner «Nikomachischen Ethik» entwickelten Vorstellung verwandt, nach der jede Tugend als die rechte Mitte zwischen zwei fehlerhaften Extremen zu bestimmen ist: zum Beispiel Sparsamkeit zwischen Geiz und Verschwendung, oder Mut zwischen Feigheit und übermütigem Leichtsinn. Die anzustrebende Tugend ist hier, im Unterschied zum Wertequadrat, als ein Fixpunkt gedacht, der sich allerdings «verschieben» lässt. So ist die Sparsamkeit dem Geiz näher als der Verschwendung, während die griechische Tugend der «eleutheriotes» eher der deutschen Freigebigkeit oder Großzügigkeit entspricht (Bollnow, 1958).
    Beim Wertequadrat ist die Vorstellung eines optimalen Fixpunktes aufgegeben und durch die Vorstellung einer dynamischen Balance ersetzt, was mir besonders auch für psychische Phänomene fruchtbringender scheint. Angemessen ist auch die Vorstellung eines Yin-Yang-Verhältnisses der beiden oberen Werte: Sie durchdringen sich gegenseitig und enthalten jeweils schon selbst ein Spurenelement des Gegenpoles:

    Abb. 7:
    Das Yin-Yang-Verhältnis
    3.2
    Wie konstruiere ich ein Wertequadrat?
    Ich möchte Sie in den Stand setzen, für Ihren eigenen Bedarf solche Wertequadrate zu konstruieren. Im Folgenden daher einige heuristische Übungen.
    Angenommen, ich habe einen positiven Wert (Charaktermerkmal, Prinzip) vor Augen, sagen wir Vertrauen . Wie ist nun die Struktur der zu diesem Wert gehörigen «Quaternität»? Ich schreibe «Vertrauen» in die Position (1) oben links. Von hier aus kann meine gedankliche Entdeckungsreise nun verschiedene Wege gehen: Zum Beispiel könnte ich auf die Position (2) schauen und nach dem positiven Gegenwert, nach der «Schwestertugend» des Vertrauens fragen – aber was könnte das sein? Einfacher ist es vielleicht, zunächst nach der entwertenden Übertreibung in Position 3 zu fragen, oder auch nach dem konträren Gegensatz am Ende der Diagonalen (4):

    Ich versuche es einmal mit Position 4 – was wäre der konträre Gegensatz zu «Vertrauen»? Vielleicht einfach «Misstrauen»? Aber ein gewisses Misstrauen ist ja in vielen Situationen des Lebens durchaus angebracht – taugt dieser Begriff, um die «übertreibende Entwertung» der Position (2) zu bezeichnen? Schwer zu sagen, denn die haben wir ja auch noch nicht definiert.
    Vielleicht ist es doch leichter, von (1) erst einmal direkt nach unten in die Position (3) zu wandern: Übertriebenes Vertrauen? Hier kann es sich nur um eine «naive Vertrauensseligkeit» handeln, die schon der Dummheit nahesteht. Also tragen wir die Position (3) vorläufig ein und ergänzen die fehlenden Verbindungslinien:

    Da es oftmals leichter ist, den konträren Gegensatz auszumachen, können wir nun von der neu gewonnenen Position (3) diagonal nach oben steigen und uns fragen: Was ist das Gegenteil jener «naiven Vertrauensseligkeit» und taugt gleichzeitig als positiver Gegenwert zum Vertrauen?
    Wer nicht zu naiver Vertrauensseligkeit neigt, lässt offenbar eine gewisse Vorsicht walten, darin sich ein gewisses Misstrauen andeutet, ohne in paranoide Formen zu verfallen. Dieser übertriebenen Vorsicht, der das Vertrauen fehlt, können wir nun

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