Mithgar 11 - Die kalten Schatten
»Ich glaube, wir haben den höchsten Punkt des Quadra-Passes erklommen.«
Galens Stimme drang gedämpft aus dem Umhang: »Keine Wachen bis hierher. Und, was noch merkwürdiger ist, auch kein winterlicher Schnee.«
Sie ritten abwärts, und Tuck dachte angestrengt nach. »Es heißt, Modru ist der Beherrscher der Kälte«, sagte er schließlich. »Vielleicht hat er den Schnee von diesen Höhen fern gehalten. Aber wieso?«
»Das ist es!«, rief Galen aus. »Wenn kein Schnee liegt, kann seine Horde diesen Pass überqueren und in den Lerchenwald einfallen. Nun müssen wir die Lian erst recht warnen.«
Weiter ging es, den Quadra-Lauf hinab, wie der östliche Weg genannt wurde. Neben der Straße floss ein Bach talwärts, der ebenfalls Quadra-Lauf hieß und nun im eisigen Griff der Winternacht erstarrt war.
Über Kämme, durch Hohlwege und um hohe Bergspitzen herum führte sie ihr Weg nach unten, auf jenes noch nicht sichtbare geneigte Tal zu, das von den vier Gipfeln der Quadra gesäumt war.
Tuck spähte hinter Galen hervor nach dem Weg, aber die meiste Zeit versperrten Steinwände und hohe Felsen die Sicht. Gelegentlich aber erhaschte er zwischen den Vorsprüngen und Spitzen einen Blick auf den Quadra-Lauf vor ihm. Es war an einer dieser Stellen, als Tuck plötzlich drängend »Halt, Majestät!« flüsterte und von Gagats Rücken glitt. Der Wurrling rannte zu einem Spalt zwischen zwei hohen Felsen und spähte angestrengt den Berg hinab. Galen stieg ebenfalls ab und folgte ihm. »Ghule«, sagte Tuck mit Bitterkeit in der Stimme. »Zwanzig oder dreißig, vielleicht drei Meilen weiter unten. Sie kommen auf Helrössern hier herauf«
» Räch!«, fluchte Galen. »Seht Ihr eine Stelle, wo wir uns verstecken könnten?«
»Nein, Majestät«, antwortete Tuck sofort. »Die Strecke vor uns ist ein offener Kamm.« Galens Stimme zitterte vor Wut und Enttäuschung. »Dann müssen wir umkehren, bevor sie uns sehen.«
»Aber wir haben einen solch langen Weg hinter uns!«, rief Tuck.
»Wir haben keine Wahl!«, fauchte Galen, dann wiederholte er freundlicher: »Ach, Tuck, wir haben keine Wahl.«
Galen drehte sich zu Gildor und Brega um, die auf dem stehenden Leichtfuß saßen. »Wir müssen umkehren - Ghola kommen uns entgegen.«
Zorn blitzte in Bregas Auge auf, er löste die Axt vom Riemen und hob sie hoch in die Luft. »Sind wir den ganzen weiten Weg geritten, um uns von Modrus Lakaien alles zunichte machen zu lassen?«
»Wie viele sind es, König Galen?«, fragte Gildor.
»Zwanzig oder mehr, sagt Tuck«, erwiderte Galen. Er stieg auf Gagat und zog den Wurrling hinter sich hinauf.
Gildor wandte sich an den Zwerg. »Hängt Eure Axt wieder um, Drimm Brega, denn selbst Euer Heldenmut ist zwanzig Vertretern des Leichenvolks nicht gewachsen.« Brega knirschte vor Wut mit den Zähnen, schnallte sich die Streitaxt jedoch wieder um, während sie in die Richtung zurückritten, aus der sie gekommen waren. Auf ihrem schnellen Ritt den Quadra-Lauf hinauf fragte Tuck über das Klappern der Hufe hinweg: »Diese Ghule, Majestät, warum kommen sie in diese Richtung? Wo waren sie?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Galen über die Schulter. »Vielleicht sind sie ein Voraustrupp der Horde auf der anderen Seite, und sie kehren von den Randgebieten des Lerchenwalds zurück, um dem Schwarm zu berichten, was ihr Vorstoß offenbart hat.«
Die Horde! Tucks Herz klopfte heftig. Die hatte ich ganz vergessen! Und jetzt reiten wir auf sie zu!
Entlang des gewundenen Quadra-Laufs stürmten sie zurück zum Kamm des Passes, und dann schlugen sie den westlichen Weg nach unten ein, denselben Weg, den sie sich soeben heraufgequält hatten. Tucks Augen forschten unablässig nach Anzeichen der Horde, so weit es der Blick talwärts zwischen den Felsen gestattete. Die ganze Zeit über suchte er auch nach Stellen, wo sie seitlich vom Weg schlüpfen, sich verstecken und die Ghule vorbeireiten lassen konnten; doch es gab keine Spalten oder Schluchten, die ihnen Schutz geboten hätten; die Quadra-Straße wand sich am Stormhelm hinab, ohne dass man sie irgendwo verlassen konnte.
Sie ritten geschwind durch die steilwändigen Hohlwege und kamen dem Fuß der Berge immer näher. Drei Stunden waren sie bereits geritten, und nun begann die Steigung der Straße abzunehmen, da sie ins Flachland kamen. »Majestät, die Horde!«, rief Tuck. »Ich sehe sie!«
Durch die Vorberge wimmelte die schwarze Schar heran, und vor ihr sprangen Vulgs. Tuck warf einen Blick zurück.
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