Mithgar 11 - Die kalten Schatten
suchen, wir könnten aber auch einfach umkehren, ohne sie auf uns aufmerksam zu machen, und wiederum eiligst denselben Weg zurückgehen, bevor wir auf die Horde treffen, die uns auf den Fersen ist.
Sollte der Graus den Weg versperren, werden wir es an der schrecklichen Angst in unseren Herzen erkennen und umkehren, bevor wir ihm zu nahe kommen, denn mit diesem Feind können wir es nicht aufnehmen.
Wenn wir den Pass also nicht überqueren können, wenden wir uns nach Süden, zum Günarschlitz, und hoffen, dass er frei von Feinden ist, wie es der Fall war, als Brega in nördlicher Richtung durchkam.
Sollten aber weder Schnee noch das Gezücht oder der Gargon den Quadra-Pass blockieren, dann reiten wir das Große Gefälle auf der anderen Seite hinab und steuern Darda Galion im Südosten an, um es vor der anrückenden Horde zu warnen. Möchte jemand diesem Plan etwas hinzufügen?« Galen sah jedem einzeln ins Gesicht. Wie sehr er doch seinem Vater ähnelt, dachte Tuck, und seine Gedanken wanderten zum Kriegrat in der Feste Challerain zurück.
Brega meldete sich zu Wort. »Es wird sehr kalt werden bei dieser Überquerung, denn es herrscht nicht nur Winter, sondern zusätzlich hat auch noch diese üble Wintermacht die Höhen in ihrem Griff. Wenn es sich um den Crestan-Pass handelte, glaube ich nicht, dass wir es überleben würden. Aber wir haben den Quadra-Pass vor uns, und der führt nicht so hoch hinauf. Doch wir müssen schnell sein; andernfalls bewegen wir uns erst wieder, wenn es im Frühjahr taut.« Brega wandte den Kopf und versuchte vergeblich, den Dusterschlund mit seinem Blick zu durchdringen, um den Weg nach oben zu erkennen. »Es könnten aber viele Jahre vergehen, ehe wieder ein Frühling in dieses Land zieht, denn Modru hat vor, es nicht mehr loszulassen.«
»Genau das müssen wir verhindern, Zwerg Brega«, sagte Galen, und Entschlossenheit lag in seinen grauen Augen. »Sollte es in meiner Macht stehen, werden diese Berge bald wieder den warmen Kuss der Sonne spüren.«
Gildor bestieg Leichtfuß, und Brega folgte ihm, während sich Tuck hinter Galen schwang. Doch gerade, als sie vorwärts preschen wollten, rief Brega: »König Galen, just in diesem Augenblick fällt mir eine alte Chäkka-Erzählung ein: Es gibt die Geschichte von einem geheimen Hohen Tor irgendwo an der Flanke des Ravenor, ein Tor, das sich in den Quadra-Pass hinein öffnet und in die Gänge des Kraggencor führt. Vielleicht ist es nur ein Märchen, vielleicht ist es wahr, aber wenn es stimmt und wenn der Ghath oder die Brut es besetzt hält, dann könnten sie daraus hervorbrechen, um uns anzugreifen. Aber ob Tatsache oder Erfindung, mehr weiß ich nicht von diesem Hohen Tor.« Galen überlegte. »Hohes Tor hin oder her, wir müssen es dennoch versuchen«, sagte er schließlich und gab seinem Pferd die Sporen.
Sie preschten die ansteigende Quadra-Straße hinauf, Gagat voran, Leichtfuß und das Packpferd hinterdrein. Drei Meilen und mehr ritten sie, und nun konnte Tuck mächtige Bergflanken erkennen, die sich in den Dusterschlund erhoben. Zu seiner Linken war der Stormhelm und zu seiner Rechten der Grimmdorn, zwei von vier Gipfeln der Hohen Quadra. Die Straße selbst war in die Seite des Stormhelm gehauen, und Vorsprünge und Grate aus rostrotem Granit sprangen in gewaltigen Stufen an der Bergflanke empor oder stürzten in glatten Steilwänden nach unten, wo sie auf die Wälle des düsteren Grimmdorns trafen. Eisflächen überzogen die mächtigen Zinnen, und das Glimmen des Schattenlichts glitzerte im Raureif und verlieh den hohen Felsen einen phosphoreszierenden Glanz. Und von den krummen Wänden der Quadra-Straße hallte das Getrampel von Hufen wider, während Mensch, Zwerg, Elf und Wurrling durch die Winternacht den Berg hinaufpreschten.
Durch Hohlwege ritten sie und über verwitterte Kämme, wo es links und rechts der Straße steil in die Tiefe ging. Unentwegt aber strebten sie nach oben. Hin und wieder stiegen sie ab und führten die Pferde, um ihnen eine Erholungspause zu gönnen, aber sie gingen in raschem Tempo, denn die Zeit war nicht ihr Verbündeter. Zehn, fünfzehn und mehr Meilen legten sie zurück, und mit jeder Meile wurde die Luft dünner und kälter, und die Reiter zogen die Kapuzen über den Kopf und hüllten sich fest in ihre Umhänge.
Schließlich begann es abwärts zu gehen; Tuck sah, wie der Weg an der Ostflanke des Stormhelm nach unten führte.
»Majestät, dieser krumme Weg vor uns fällt ab«, jubelte er.
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