Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
Schlucht, immer näher. Dann hatten die Männer mit Schilden und Seilen den Rand des Grabens erreicht; sie banden ihre Taue an Vorsprünge und Blöcke und warfen die losen Enden über die Kante in die schwarze Tiefe. Und Rukh, Hlök und Ghul sahen diesen Menschen ungläubig zu: Glaubten diese Narren etwa, sie könnten direkt unter den Augen von Modus Horde durch die Schlucht klettern und die Wälle erstürmen? Heisere Hohnrufe erhoben sich in den Reihen der Brut.
Dann ertönte das lärmende Schmettern von Rukhenhörnern, und ein Hagel von schwarzen Schäften sauste zischend auf die Männer hinab und drang mit dumpfem Laut in Schild, Erde und Fleisch.
Als Antwort zischten die Pfeile des Heeres hinauf zu den Wällen; größtenteils segelten sie über die Mauern oder prallten klirrend gegen den Stein, wenngleich ein paar auch den Feind trafen.
Ein mächtiger, lang anhaltender Schrei stieg von der Legion auf, denn der Hochkönig ritt in einem scharlachroten Panzerhemd an der Front seines Heeres entlang, und Stahlherz blitzte im Schattenlicht auf.
Noch immer regneten die schwarzen Schäfte auf die Männer an der Schlucht. Und Pfeile flogen als Erwiderung zurück. Schließlich aber ließen die Angreifer auf ein Signal ihres Hauptmanns hin die Seile fahren und kehrten zur Legion zurück, und die Bogenschützen schossen weiter zu den Wällen hinauf, wichen aber ebenfalls zurück. Und auf den Festungsmauern jubelte höhnisch die Brut, und ihr schrilles Gelächter, ihr spöttisches Kreischen klang misstönend hinter den fliehenden Verbündeten her. An der linken Flanke knirschte Ubrik vor Wut mit den Zähnen. Aber alles lief wie geplant.
Bregas Griff umschloss Drakkalans schwarzen Stiel, und die Augen des Zwergs waren fest auf die Schießscharte über ihm gerichtet. Er hörte den Rukh auf die Öffnung zuschlurfen, und er klammerte sich mit der linken Hand an den Stein des Walls und stemmte die Füße tiefer in den Spalt, der die Hauptlast seines Gewichts trug. Nun vernahm er den rauen Atem des Rukhs, hörte, wie die Pike über den Stein kratzte und wie eine Hand auf den Mauersims klatschte, und dann beugte sich der Rukh aus der Öffnung, um nach unten zu blicken.
Tschok! Drakkalan fuhr seitlich in den Schädel des Rukhs, sodass Knochen und durchtrennter Helm kreiselnd in die Tiefe fielen; und schwarzes Blut spritzte auf Mauerzacken, Wall und Krieger. Der Kadaver glitt rücklings außer Sicht und fiel grotesk verdreht auf dem Wall in sich zusammen.
Brega zog sich nach oben und spähte vorsichtig an der Wallbank entlang. Keine Wachen zu sehen! Der Zwerg gab den anderen unter ihm ein Zeichen, dann huschte er schnell über die Mauer auf den Wachgang, und die Übrigen kletterten rasch nach oben. Und als sie alle bei ihm waren, hob Brega den toten Rukh über den Kopf und schleuderte ihn mit einem Schwung seiner kräftigen Schultern in einigem Abstand vom Wall in die Schlucht hinab. Dann warf er die beiden Piken hinterher.
»Wir müssen uns beeilen«, zischte Flandrena drängend. »Bis zum Sonnentod bleibt weniger als eine halbe Stunde Zeit, und es ist noch ein weiter Weg bis zum Tor, und wir haben viel zu tun, wenn wir dort sind.«
Hastig legten die acht ihre schmutzigen Umhänge an und zogen die Kapuzen über den Kopf. Dann bildeten sie Reihen - vorn die Wurrlinge und Brega, dahinter Flandrena und Igon - und begannen, auf dem Wall zu dem fernen Tor zu marschieren, und die ganze Zeit zankten sie sich und rempelten einander an, wie es die Brut tun würde. Ich bin drin! In der Festung! Tucks Herz hämmerte wild, als er aus seiner Nische heraus am Wall entlangblickte. Die Brut schwärmte zu Hunderten durch die Höfe vor ihm: Manche trugen Kisten oder Fässer, andere marschierten mit Waffen die Aufgänge zu den Wällen hinauf, und wieder andere drängelten fauchend um eine Ecke und entfernten sich entweder von Tuck oder kamen in seine Richtung. Inmitten des Gewimmels von Rukhs teilten grausame Hlöks Peitschenhiebe aus und schnarrten Befehle. Und tödliche Ghule saßen auf Helrössern und überwachten alles.
Tuck zog die Kapuze so weit über den Kopf wie nur möglich und verbarg sein Gesicht in ihren Falten.
Vom Regen in die Traufe, dachte er. Was nun? Zurück ins Loch? Nein! Ich hatte vor, in die Festung zu kommen, und jetzt bin ich in der Festung - auf einem unerwarteten Weg zwar, keine Frage, aber ich bin drin.
Erneut spähte Tuck aus seiner Nische. Das Gewimmel des Madenvolks hatte keinen Deut nachgelassen. Und in der
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