Mithgar 17 - Drachenbund
gehört?«
»Als du das erste Mal gekommen bist. Du hast mit ythir und Pa darüber gesprochen.«
»Ich erinnere mich. Am Ufer des Baches, in dem du gespielt hast.«
Bair nickte, sagte jedoch nichts, sondern sah seinen Mentor unverwandt an.
Aravan seufzte. »Er ist ein böser Mann, Bair, wenn er denn überhaupt ein Mensch ist. Vor langer Zeit, während des Großen Bannkrieges, hat er einen guten Kameraden von mir getötet und ein Silbernes Schwert gestohlen.«
»Wie hieß dein Freund?«
»Galarun.«
»Und wie lautet der Name des Mannes, der ihn tötete, der Mann mit den gelben Augen?«
»Ich glaube, sein Name lautet Ydral. Sein Sohn, eine Person namens Stoke, war ebenfalls ein böser Mann, und es gibt einen alten Spruch: Wie der Vater, so der Sohn.«
Bair schüttelte den Kopf. »Mein Pa hat auch gelbe Augen, aber meine eigenen sind grau, wie die von ythir.«
Aravan lächelte. »Allerdings, Bair, deine Augen sind wie die deiner Mutter, obwohl du nicht ganz den silbernen Blick hast wie sie. Und ich würde Urus’ Augen auch nicht gelb nennen, sondern eher bernsteinfarben.«
»Bernstein«, wiederholte Bair das neue Wort und sah sich nach seinem Vater um, konnte ihn aber nicht finden.
Sie saßen eine Weile schweigend da, bis Bair fortfuhr: »Was ist mit dem Silbernen Schwert geschehen?«
Aravan hob eine Hand. »Es ist verschwunden. Doch sollte ich den Mann mit den gelben Augen finden, dann, so glaube ich, werde ich auch das Schwert finden.«
»Ich werde dir helfen.«
Mit einem Arm zog Aravan Bair an sich. »Ah, kleiner dar, ich würde dich aber nicht auf eine so lange Jagd mitnehmen, denn ich suche schon seit Tausenden und Tausenden von Jahreszeiten, und…«
»Es ist mir gleich, wie lange sie dauert«, unterbrach ihn das Kind eigensinnig. »Ich sagte, ich werde dir helfen, und das werde ich auch.«
In diesem Augenblick kehrte Urus auf die Lichtung zurück. Bair sprang auf und lief zu ihm. »Pa, Pa!«, rief er. »Ich werde kdan Aravan helfen, den Mann mit den gelben Augen zu finden und ein Silbernes Schwert zurückzuholen.«
Urus’ Miene verfinsterte sich, und er warf Riatha einen kurzen Seitenblick zu. Aus ihrem Gesicht war alles Blut gewichen. Dann hob er das Kind in seine Arme und zwang sich zu einem Lächeln. »Bist du nicht noch ein bisschen jung für solche Aufgaben?«
»Nein, Pa. Außerdem habe ich es versprochen!«
10. Kapitel
OMEN
Sommer, 5E1003 (Sechs Jahre zuvor)
Ein brausender Wind trieb von Norden hohe Wolken vor sich her, als sich Kutsen Yong, der Gott-Kaiser, selbst herabließ zum Hafen zu schreiten, um mit eigenen Augen zu sehen, was seine Kriegsherren bewerkstelligt hatten. Er war mittlerweile ein Mann von zwanzig Jahren und kam in seiner mit Seide ausgeschlagenen, goldenen Sänfte, die von den kräftigsten Sklaven getragen wurde. Ihn umringte seine Palastwache - Schwerter, Speere und Bögen in der Hand -, die ihre aufmerksamen Blicke ständig umherschweifen ließ. Ihm folgte, in einer bescheideneren Sänfte, die Erste Dienstmagd des Masula Yongsa Wang, deren konischer Hut mit Juwelen besetzt war. Danach kam in einem einfachen, überdachten Tragestuhl der Mann mit den gelben Augen, dessen hasserfüllter Blick starr auf die Sänfte der Dienstmagd-Priesterin gerichtet war. Ihnen folgten in einer Prozession die niederen Adligen und ihre Lakaien. Einer von ihnen war ein einhändiger Mann, der dem Kaiser schon seit seiner Jugend gedient hatte. Am Wegesrand sanken die Menschen zitternd zu Boden, warfen sich zum Kotau nieder, pressten die Stirn auf die Pflastersteine und schlugen die Blicke nieder, denn niemand war würdig, den Mächtigen Drachen in all seiner Pracht zu erblicken.
Schließlich erreichten sie die Steinmolen. Im Hafen lag eine gewaltige Armada vor Anker. Auf den Schiffen drängten sich die Soldaten Kutsen Yongs, jederzeit bereit, die Segel zu setzen und nach Ryodo aufzubrechen, einem uralten Feind von Moko und Jinga.
Der Kaiser wurde zur mittleren Mole getragen. Dort wurde seine Sänfte auf ihre sechs Füße gesetzt, und das goldene Treppchen heruntergelassen, damit der Kaiser auf den rotgoldenen Teppich treten konnte, der auf den Steinen ausgebreitet worden war. In den Teppich waren die Abbilder des Drachens des Glücks und des Drachens der Eroberung eingearbeitet worden. Die beiden anderen Sänften wurden ebenfalls abgesetzt, doch weder auf Chakun noch auf Ydral wartete ein Teppich. Sobald die Erste Dienstmagd und der Königliche Mentor den hinteren Rand des
Weitere Kostenlose Bücher