Mithgar 17 - Drachenbund
ich denke auch sehr scharf an meinen Jungennamen, wenn ich mich in einen Wolf verwandele. Genauso scharf, wie ich an meinen Wolfnamen denke, wenn ich mich zurückwandle.«
Urus sah seinen Sohn überrascht an. »Du hast einen Wolfnamen?«
Bair nickte.
»Wie hast du den Namen bekommen, Sohn?« »Als ich noch ein Welpe war, hat Schimmer ihn mir gegeben.«
»Schimmer, die Draega?«
Bair nickte. »Ihr Name ist eigentlich Schimmer von Mondlicht auf dem Wasser so zart wie die sanfte Brise den Duft aus Nah und Fern heranbringt.«
»Ein recht langer Name, hm?«
Bair zuckte mit einer Schulter. »Wenn ich Junge war, dauerte es lange, bis ich wusste, was Schimmer gesagt hatte, als Draega schien es mir jedoch, als hätte ich schon immer gewusst, dass ich einen Wolfnamen hatte, Pa.«
Sie saßen eine Weile schweigend da, bis Urus schließlich sagte: »Sag mir, Bair, wie lautet dein Wolfname?«
»Jäger: Der Sucher und Forscher, der Einer von Uns ist und doch Keiner von Uns.« Bair sah Urus stirnrunzelnd an. »Sie sagte, dass ich eines Tages begreifen würde, was es bedeutet.«
Urus seufzte und nickte. »Vielleicht wirst du das eines Tages begreifen, ja.«
Der Wintertag kam und mit ihm das Elfenritual des Wechsels der Jahreszeiten. Alle sahen dem sechsjährigen Bair lächelnd zu, wie er zwischen den Männern den Ritus tanzte und sang, mit seiner hellen Stimme und den kurzen Beinen, die traten und stehen blieben und sich drehten. Der Junge bewegte sich in vollendeter Gleichzeitigkeit mit den anderen Alori. Zwischen den Darai lächelte auch Riatha, doch ihr Herz war besorgt, denn auch wenn Bair die Schritte und den Gesang vollkommen beherrschte, wusste er doch nicht, was sie bedeuteten. Nicht das Ritual war die Quelle ihrer Sorge, sondern was es für Bair verhieß. Denn seine wahre Bedeutung sagte ein kommendes Schicksal voraus, ein Schicksal voller Gefahren.
Am Ende des Rituals eilte Faeril zu Bair und umarmte ihn. Der Junge erwiderte die Liebkosung der Damman. »Das war großartig, Bair«, sagte sie und sah den Jungen an. Sie musste bereits zu ihm hochblicken, so groß war er geworden.
Bair grinste. »Lasst uns essen gehen, Amicula Faeril.« Er nahm sie bei der Hand und zog sie von der mit bunten Papierlaternen schwach beleuchteten Lichtung zur Coron-Halle, wo das Bankett der Winternacht wartete.
Der Schnee des Winters bedeckte noch den Boden, doch die Winde kündigten bereits das Nahen des Frühlings an. Über die Querlandstraße zog eine Gruppe Händler langsam zum weit entfernten Crestan-Pass. Sie wollten am Fuß des Passes warten, bis das Tauwetter den Weg freigemacht hatte, denn dann waren sie die Ersten, welche ihre Waren in den Ländern feilbieten konnten, die dahinterlagen. Doch noch waren es mehr als hundert Meilen dorthin, und jetzt fuhren sie durch das bedrohliche Dickicht des Ödwaldes, das sich rechts und links von ihnen erstreckte. Früher einmal war es ein furchtsamer, unheilvoller Ort gewesen, aber jetzt, so sagte man, sei er frei von allen Gefahren. Vor langer Zeit war der Wald in einem blutigen Feldzug, der einen ganzen Sommer gedauert hatte, von der Brut gesäubert worden, aber einige behaupteten, dass während des Winterkrieges finstere Kreaturen auf Modrus Geheiß zurückgekehrt wären; ob das nun stimmte oder nicht, der Wald wirkte noch immer bedrohlich, als hätte der Makel des Bösen überdauert. Doch die Händler fühlten sich auf ihren Wagen und mit den Waffen in der Hand einigermaßen sicher, solange sie wenigstens auf der Straße blieben und sich nicht in dem einst so bedrohlichen, dunklen Wald verirrten. So zogen die Pferde die Wagen also von Westen nach Osten; das Klappern der Hufe, das Klirren der Rüstungen und Waffen und das Knirschen der Räder unterbrach die düstere Stille um sie herum.
Doch dann hörten sie aus dem Dickicht im Süden den Ruf silberner Hörner. Die Händler hielten an. Einige spannten die Bögen oder nockten ihre Pfeile ein, andere zogen Schwerter oder hoben die Streitkolben.
Sie hörten, wie das Trommeln der Hufe anschwoll, und plötzlich brach ein Hirsch zwischen den Bäumen hervor, setzte über die Straße und floh wieder in den Wald hinein. Nur wenige Augenblicke später zischte ein heller, silberner Wolf von der Größe eines Ponys auf seiner Verfolgung aus dem Wald heraus.
»Beim Hecht! Ein Silberpelz!«, schrie der Händler ganz vorn, hob seine Armbrust und zielte. Im nächsten Augenblick wurde ihm die Waffe jedoch von einem Speer aus der Hand
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