Mittagessen Nebensache
sehen verlangt, bevor er etwas zu
unternehmen imstande ist, dann müssen wir ihm eben eine Attacke frei Haus
liefern.«
»Die Idee ist gut, aber schwer
durchführbar.«
»Durchaus nicht, wenn man nur
die nötigen Nerven hat. Und ich möchte behaupten, daß Sie bessere Nerven haben
als Susan und ich zusammen genommen«, erwiderte Larry ruhig.
Ich wurde unruhig. Schließlich
waren Larrys Nerven mindestens ebensogut wie die von
Ruth, wobei man aber nicht unberücksichtigt lassen durfte, daß meine
ideenreiche Freundin nicht nur kaltblütig, sondern auch gewissenlos zu handeln
imstande war. »Nun sei doch vernünftig, Larry, beschwor ich sie. »Man kann doch
keine Blinddarmattacke auf Bestellung liefern.«
»Warum nicht? Du hast doch eben
gehört, sie braucht nur Muscheln zu essen. Also holen wir uns unten an der
Bucht Muscheln, kochen sie, und Ruth ißt sie auf. Nur
gerade soviel , daß es für einen Anfall langt. Wie
lange dauert es eigentlich immer, bis die Wirkung eintritt, Ruth? Das letzte
Mal hatten wir dieses Unglücksessen gegen eins, und richtig schlecht geworden
ist es Ihnen gegen acht. Sagen wir also sechs Stunden, dann kann nichts
schiefgehen. Wir haben also genügend Zeit.«
»Zeit — wofür?« verlangte ich
zu wissen. »Damit wir sie erst richtig krank machen und den Doktor anrufen, um
zu erfahren, daß er gerade wer weiß wo steckt.«
»Ein klein wenig Verstand
dürftest du mir schon Zutrauen, meine Liebe. Wir bleiben zunächst eine Weile am
Strand, dann fahren wir in die Stadt und parken in der Nähe von Doktor Norths
Wohnung. Dort brauchen wir nur zu warten.«
Das klang schrecklich
kaltschnäuzig, aber Ruth war sofort Feuer und Flamme. »Die Idee ist großartig,
aber der Doktor würde wütend werden, wenn er dahinterkäme, daß ich die Diät
nicht eingehalten habe. Aber wie sollte er das schließlich herausbekommen? Ich
würde alles darum geben, endlich wieder auf die Beine zu kommen. Vorhin ist es
mir direkt schwergefallen, Christopher festzuhalten — früher hätte mir das
überhaupt nichts ausgemacht. Ich habe es restlos satt.«
Es war hoffnungslos. Ich gab
mir redliche Mühe, den beiden diesen fürchterlichen Plan auszureden, aber es
gelang mir nicht. Mir erschien ein solches Experiment reichlich gewagt. Vor
allem bedrückte es mich, daß wir die Geschichte für uns behalten mußten. Ich
sah ein, daß weder der Doktor noch Miss Adams davon erfahren durften — aber wie
sollte ich mit meinem Gewissen ins reine kommen? »Am
besten machen wir es gleich morgen«, verlangte Ruth energisch. »Jetzt ist der
Plan noch frisch, ich möchte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich
bringen, solange ich noch einigermaßen bei Kräften bin. Könnten wir die Kinder
irgendwo lassen und gleich am Vormittag losziehen? Dann würde es auch mit den
Gezeiten klappen, so daß wir gegen Mittag die Muscheln hätten.«
»Natürlich läßt sich das
machen«, stimmte Larry sofort zu. »Je eher, um so besser, möchte ich sogar sagen.« Das war wieder typisch Larry.
»Aber wir müssen dann noch in Tiri vorbeifahren«, überlegte Ruth, »damit ich mir
Nachthemden und Bücher und was man sonst im Krankenhaus braucht, mitnehmen
kann. Sie werden inzwischen Miss Adams ablenken, damit sie keinen Verdacht
schöpft. Wirklich, Larry, ein wundervoller Gedanke, daß ich vielleicht in zwei
Tagen alles überstanden habe.«
Ich konnte absolut nichts
Wundervolles daran entdecken. Zu Hause verbrachte ich eine unruhige Nacht, hin-
und hergerissen zwischen meiner Furcht um Ruth und meinem Wunsch, mich Paul
anzuvertrauen. Die Folge war, daß ich am anderen Morgen einen so deprimierten
Eindruck machte, daß Paul ohne Murren einwilligte, Christopher für diesen Sonntag
zu übernehmen. »Jetzt im Winter ein Picknick?« fragte er nur erstaunt.
»Wirklich, ihr Mädchen kommt doch auf die verrücktesten Ideen.«
Der Tag war wunderschön, aber
das Picknick wurde zum melancholischsten, an dem ich jemals teilgenommen habe.
Normalerweise finden es Larry und ich sehr vergnüglich, allein — ohne die ewig
brummenden und ungeschickt mit den Tellern balancierenden Ehemänner — draußen
im Freien eine Mahlzeit einzunehmen, aber diesmal sprachen wir kaum und aßen
noch weniger. Wir sammelten Muscheln und achteten darauf, daß Ruth eine
anständige Portion verzehrte. Wir schauten ihr dabei zu, wie man einem guten
Freund zuschaut, der einen Giftbecher leert. Anschließend legten wir uns in die
Sonne und gaben vor, zu schlafen. Aber fortwährend
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