Mittagessen Nebensache
gleichzutun, verlor aber das Gleichgewicht und purzelte hin. Ein neuer Grund für unsere Sprößlinge, sich vor Lachen auszuschütten. Ausgelassen tobten sie auf der Veranda herum.
»Sie wird einmal eine ganz Gefährliche, deine Tochter«, sagte ich zu Larry. »So eine hundertprozentige Frau. Eine von der Sorte, die ihren Mann anbetet und nebenbei um den kleinen Finger wickelt. O Larry, wie konntest du dir nur eine solche Tochter anschaffen?«
»Oh, irgendein Vorteil wird sich schon eines Tages dabei noch entdecken lassen«, erwiderte Larry fröhlich, während sie aus dem Sattel glitt. »Wo ist Dawn? Du siehst ja wie vor den Kopf geschlagen aus, Susan. Sag mir doch in drei Worten, wie sie ist.«
»Ein durchtriebenes Luder«, erwiderte ich in genau drei Worten, denn in diesem Augenblick trat Dawn auf die Veranda.
Bei Larrys Anblick blieb sie wie angewurzelt stehen, und ich stellte mit Genugtuung fest, daß ihre Überraschung noch viel größer zu sein schien, als ich mir ausgemalt hatte. Larry erzählte mir später, daß sie von Dawns Aussehen ebenfalls überrascht gewesen sei.
»So hübsch! Und du hast mir nie erzählt, daß sie eine von diesen ätherischen Gestalten ist, von denen man immer in Büchern liest — eine Platinblonde!«
»Natürlich nicht. Ihre Blondheit ist ja auch erst jüngeren Datums«, versuchte ich mich zu rechtfertigen.
»Tatsächlich? Das ist ihr aber wirklich hervorragend gelungen. Dieses helle Blond paßt so wundervoll zu den großen dunklen Augen. Susan, wir werden auf unsere Männer aufpassen müssen. Brünette wie du und ich ziehen ja die Blicke nicht weiter an.«
Ausgerechnet Larry mußte das sagen, die genau weiß, daß sich jeder Mann nach ihr umdreht.
Für Christina zeigte Dawn eine Bewunderung, die ihr Neffe ganz offensichtlich nicht zu erregen vermochte.
»Wie herzig sie ist! Diese wunderschönen dunklen Locken und die blauen Augen — ganz die Mama. Und so brav. Schau nur, wie sie hinter Christopher hertappt.«
»Wenn sie mit Christopher spielt, wird sie nicht lange brav bleiben«, erklärte ich resigniert und angelte meinen Sohn aus dem Kamin, wo er mit Asche und Holzkohle das Gesicht seiner Anbeterin und sein eigenes bemalte.
»Komisch, Susan, daß ausgerechnet du so einen ungezogenen Sohn hast«, ließ meine Schwester sich vernehmen. »Du warst doch stets die Tugendsame in der Familie.«
»Nur die Unscheinbare«, widersprach ich. »Und die müssen zwangsläufig artig sein.«
Aber davon wollte Larry nichts hören. Sie steht auf dem beharrlichen Standpunkt, daß ihre Freundinnen nicht nur nett, sondern auch hübsch sind. Das ist zwar, was meine Person anbelangt, ein Irrtum, aber doch auch wieder recht tröstlich nach den realistischen Feststellungen meiner jüngsten Schwester.
»Morgen nehmen wir Dawn mit ins Dorf zu Tantchen«, schlug Larry vor.
Dawn blickte zwar höflich, aber dennoch gelangweilt drein. »Haben Sie hier Verwandte in der Gegend? Davon hat Susan mir noch gar nichts erzählt.«
»Nein, das Glück habe ich leider nicht. Keine Tanten und erst recht keine Tantchen. Überhaupt keine Verwandten außer Onkel Richard. Miss Adams ist unsere Krämerin und Postmeisterin. Wir nennen sie Tantchen, weil wir sie gern haben.«
Dawn seufzte resigniert. »Aha, eine von denen, die auf Susans Linie liegen. Dick und immer hilfsbereit, wie man sie überall auf den Dörfern finden kann. Susan hat so was ja gern. Ihre Vorliebe für solche Typen ist wohl auf ihre Schriftstellerei zurückzuführen.«
Larry platzte los, und ich lachte ebenfalls, aber wir hüteten uns, Tantchen näher zu beschreiben. Dawn sollte morgen ihre zweite Überraschung erleben.
Während Larry davonritt und Christina dem untröstlichen, brüllenden Christopher mit ihren fetten Händchen zuwinkte, schüttelte Dawn ungläubig den Kopf. »Ist sie wirklich schon achtundzwanzig — also älter als du?«
Ich zuckte zusammen und bestätigte, daß dem tatsächlich so sei. »Einfach unglaublich«, fuhr Dawn fort. »Wie, um alles in der Welt, macht sie das? Ihre Kleidung ist geradezu schäbig. Man hat den Eindruck, daß sie sich in größter Eile das Zeug übergeworfen hat, und trotzdem sieht sie blendend aus.«
»Tja, sie hat wirklich nicht viel Zeit zum Ankleiden. Schließlich muß sie ein Kleinkind versorgen, und Sam hat eine Farm. Das ist kein Zuckerschlecken.«
»Aber sie wird doch eine Hilfe haben? Irgend jemand wird doch zumindest tagsüber kommen und ihr helfen?«
»Aber nein! Niemand von uns hat
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