Mitte der Welt
wir ein, Tomaten, Käse, Obst. Frisches Brot, sagten wir, kaufen wir auf dem Weg zum Schiff. Und dann kauften wir Brot und Joghurt dazu. Warum nicht, lachte mein Geliebter, türkischen Joghurt magst du doch so gern! Und also fuhren wir mit dem Schiff den Bosporus hinauf, genossen die Fahrt und die Aussicht und dass der Frühling nun wiederkommt und wir zusammen wieder Ausflüge machen werden, den ganzen Sommer lang.
In der Bucht gegenüber von Sarıyer sahen wir den ausgebrannten Frachter vor Anker liegen, der vor wenigen Tagen mit einem Tanker zusammengestoßen und in Flammen aufgegangen war. Der Tanker sei ins Schwarze Meer hinausgeschleppt worden, hieß es, und brenne noch immer. Weil kein Lotse an Bord war, oder weil er zu spät erst hinaufstieg, soll das Unglück passiert sein; ein Unglück, bei dem ich weiß nicht wie viele tausend Schafe an Bord im Feuer starben und Öl tonnenweise auslief und brennend auf dem Wasser trieb.
Noch immer sind Teerklumpen bosporusabwärts schwimmend zu sehen; und Quaimauern und Schiffsbäuche und alles sonst, was im Wasser dümpelt und treibt, sind schwarz verschmiert, Plastikflaschen, Kisten, Blumenkohlstrünke, Zeitungspapier. Und in Kuruçeşme liegt bereits ein Boot von Greenpeace vor Anker, um den Schaden zu begutachten. Aber am Ufer stehen schon wieder die Angler.
Für die großen Schiffe ist der Bosporus vorläufig gesperrt, und es werde überlegt, ist zu hören, ob für die Durchfahrt Lotsenzwang eingeführt werden solle. Bis dahin war es Ermessenssache der Reedereien gewesen, wie sie die nicht unerheblichen Kosten für den Lotsen gegen das Risiko einer Kollision in der engen, stark frequentierten Wasserstraße abwägten.
Wir jedenfalls, mein Geliebter und ich, gingen in Anadolu Kavağı an Land, spazierten zwischen Häusern und Gärten den Hügel hinauf, vorbei am ehemals scharf bewachten Militärbezirk, der über der nördlichen Einfahrt des Bosporus thront; heute sind die Zäune niedergetreten, und die Schilder mit Warnung vor Schießenden rosten im Gras.
Wir stiegen hinauf bis zur Burg, von den Genuesen angelegt, von den Osmanen ausgebaut, heute eine Ruine und an Sonntagen ein beliebtes Ausflugsziel mit fantastischem Ausblick.
Wir schauten hinaus aufs Schwarze Meer, staunten, wie schwärzlich es ist auch bei strahlender Sonne, und hielten Ausschau, ob der brennende Tanker zu sehen sei irgendwo – was er nicht war. Wer weiß, wo sie den hingeschleppt haben, sagten wir und setzten uns ins Gras, an die Burgmauer gelehnt, und genossen die zärtlich wärmende Frühlingssonne – und dann eben der ausgelaufene Joghurt! Beim Öffnen vom Rucksack kam er zum Vorschein.
Nein, über die nun folgende Missstimmung gibt es nichts zu erzählen, auch wenn sie, weil sie die erste zwischen uns war, bemerkenswert ist. Obwohl andererseits ja auch ziemlich banal. Aber dann eben die Frage meines Geliebten – an einer steilen Stelle beim Abstieg reichte er mir seine Hand, damit ich nicht rutsche, und als es sich wieder leichter ging, schräg hinab über eine Wiese, stellte er sie.
Wie könnte ich über dich schreiben, sagte ich, ich liebe dich doch!
Später einmal, glaube ich, wirst du es doch tun.
In seinen samtschwarzen Augen die vorweggenommene Trauer über die mögliche Trennung – die, ja, ich kann es mir nicht anders vorstellen, eines Tages kommen wird; allerdings erst sehr viel später.
Niemals könnte ich das!, sagte ich und dachte es auch, damals.
Auch heute noch denke ich so.
Aber die Frage, ob Schreiben das Ende der Liebe ist –
HUSTEN IM KELLER
»Jahre der Liebe« wäre ein schöner Titel, dachte ich heute Morgen unter der Dusche, als wieder, wie so oft morgens, der fürchterliche Husten unten im Keller losging; ein alter Raucherhusten, der allmorgendlich rausmuss aus einer verkodderten Lunge, ein kollernd grollendes Gehuste, das sich überschlägt im engen Hof, der eigentlich kein Hof ist, nur ein Lichtschacht; nur Küchen-, Toiletten- und Badezimmerfenster schauen auf ihn, oder eigentlich schauen sie nicht, undurchsichtig verglast wie die Fenster alle sind; außer Licht und Luft gibt der Hof nichts her; Gurren von Tauben noch, die auf Leitungen und dem Gestänge der Wassertanks turteln, und das Geschrei der Möwen auf dem Dach; manchmal auch Zischen von Braten in heißem Öl; und Gerüche natürlich, Essensgerüche vor allem; aber auch, wenn Schnee fiel über Nacht oder Smog auf die Stadt sich legt; Stimmen von Menschen sind kaum je zu hören. Nur eben dieser
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