Mitteilungsheft - Leider hat Lukas
Drehbuchszene abgegeben:
Pinguinhaus im Herbstnebel. Der Lehrausgang einer Klasse pubertierender Schüler ist fast vorbei. Die hübsche, blond gemeschte Fraufessor, ganz in Schwarz gehalten, und Papa Gruber, modisches, hellblaues T-Shirt unter dunkelblauem Jeans-Sakko, den Mantel lässig über den Arm geworfen, drängen die Kinder sanft nach draußen, wo der Guide, den der Tiergarten abgestellt hat, bereits etwas genervt auf sie wartet. Die „Fischküche“ ist noch auf dem Programm. Die Kinder sammeln sich ausgelassen lärmend um den Guide, nur Niko und Patrick drehen sich geschickt aus der Gruppe und sind mit zwei, drei schnellen Schritten wieder an der Glaswand. Sie lachen laut, klopfen an die Scheibe, offensichtlich, um die Pinguine zu ärgern. Da dreht sich die Lehrerin im Ausgang noch einmal um. Sie sieht, wie Niko einen Kaugummi an die Glaswand zu heften versucht. Er bleibt nicht kleben, fällt zu Boden.
– Niko, hab ich dir vorhin nicht gesagt, du sollst deinen Kaugummi ausspucken?
– Was is? Hab ich eh.
– Und wieso hast du dann schon wieder einen?
– Ich hab keinen Kaugummi. Schauen Sie selber!
Reißt demonstrativ den Mund auf und steigt gleichzeitig mit seinem sündteuren Schuh (€ 349,90) auf den am Boden liegenden Kaugummi, dabei blickt er die Lehrerin herausfordernd an. Die nimmt den Blick auf, geht wütend auf Niko zu, schiebt seinen Fuß mit ihrem Fuß zur Seite (Marke: Billiger € 29,90) und legt dabei das Corpus delicti frei.
– Und das da ist …?
– Das da ist … ein Kaugummi, aber nicht meiner.
– Aha, also nicht deiner.
– Sie können ja kosten.
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Beide Kinder grinsen. Patrick macht im Hintergrund eine obszöne Handbewegung, die die Lehrerin beinahe sieht, als sie sich umdreht. Patricks Gesicht gefriert, er zieht Leine. Dafür tritt Papa Gruber wieder in den Raum, er will sehen, wo die Lehrerin bleibt. Die wendet sich gerade wieder Niko zu:
– Sag das noch einmal!
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– Sie können ihn ja kosten, ob er nach mir schmeckt, wenn Sie mir nicht glauben.
Und im nächsten Moment: Klatsch!
Nicht wirklich fest, aber doch: klatsch! Geistesgegenwärtig ist Papa Gruber zur Stelle, der den Vorfall als einziger der Gruppe mitbekommen hat. Tapfer baut er sich vor Niko auf, den er an Größe kaum überragt.
– Ich denke, es ist besser, du gehst jetzt hinaus, bevor die Frau Professor wütend wird.
Er betont das Wort „bevor“. Niko geht ab. Die hübsche, blond gemeschte Lehrerin errötet. Kurzer, aber bedeutungstiefer Blickwechsel mit Papa Gruber. Dann folgt sie dem Kind.
– Niko …!
hört er sie zischen.
– … Das wird Konsequenzen haben. Du kannst von Glück sagen, dass ich mich da drin jetzt nicht vergessen habe. Und wenn du mir heute noch ein Mal unangenehm auffällst, lass ich dich von deiner Mutter gleich hier abholen. Die wird sich bestimmt freuen.
Und im selben Atemzug Gesicht runter, neues Gesicht rauf.
– So. Jetzt noch zur Futterbereitung. Und danach gibt es für jeden eine Pizzaschnitte. Zahlt der Elternverein. Aber hopp hopp, sonst sind wir nicht rechtzeitig zurück.
Später, auf dem Heimweg mit Lukas in der Straßenbahn:
– Sag, Sohn, ist dein Freund Niko immer so?
– Du meinst, dass er manchmal nicht aufpasst?
– Ich meine, dass er ein unsympathisches, präpotentes kleines Arschloch ist.
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– Du sagst immer, du weißt eh, dass Kinder in diesem Alter so sein können.
– Du! Ich weiß, dass du in deinem Alter so sein kannst. Also manchmal so bist. Und du bist definitiv nicht so wie dieser Niko. Oder bist du, wenn deine Eltern nicht dabei sind, auch so?
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– Und dieser Niko ist wirklich dein Freund? Ich meine, warum ist der dein Freund?
– Er ist irgendwie der Coolste in der Klasse. Der coolste und auch der Beste.
– In was der Beste?
– In alles.
– Das heißt in allem.
Wo genau in allem?
– Mathe und GZ. Englisch. Deutsch. Er kann alles, wenn er will. Er braucht es gar nicht lernen. Er kann es auch so. Wenn er will, macht er überall nur Einser. Manchmal macht er aber auch absichtlich Fünfer. Vor allem bei der Söllner. Er hasst sie. Er hat einmal gesagt, sie erinnert ihn an seine Mutter. Und die hasst er auch.
– Er hasst seine Mutter?
– Sie ist nie da. Und wenn sie da ist, will sie nur wissen, welche Noten er hat. Sie weiß gar nichts von ihm. Einmal war ich bei ihm Playst… lernen, da ist sie nach Hause gekommen
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