Mitteilungsheft - Leider hat Lukas
kannst hier Bedingungen stellen. Sei froh, dass du nicht von der Schule fliegst.
Außerdem fahren sie nicht.
– Wer fahrt nicht.
– Fährt. Es heißt: Wer fährt nicht.
Sie fahren nicht. Niko und seine Mutter fahren nicht nach Sri Lanka. Frag deine Mutter. Niko fährt auf Schikurs.
– Wer sagt das?
– Dann frag Niko, wenn du mir nicht glaubst.
– Morgen frag ich Niko. Aber wenn er fahrt … fährt, darf ich dann mitfähren … fahren?
– Frag ihn zuerst einmal.
– Gut, ich frag ihn.
Doch damit war das Unheil an diesem Tag noch nicht vorbei. Ich endlich beruhigt und mitten im Kochen. Nudeln mit Ei und Rosmarin. Dazu griechischer Bauernsalat mit frischem Basilikum. Ein, zwei, drei Gläschen Retsina hatten mich in mediterrane Stimmung gebracht, während der Thermostat dafür sorgte, dass die Wohnung die dazu passende Raumtemperatur bekam. Die Nachrichten waren vorbei, enttäuschenderweise mit Nadja Soundso statt mit Marie-Claire Zimmermann. Krank? Urlaub? Zu einem Privatsender gewechselt? Der Altar war ordnungsgemäß geschlossen, die Kinder saßen im Schlafzimmer vor einer DVD („Der Polarexpress“, Robert Zemecki-so-lala-Film, Tom Hanks außer Form) und stritten nicht. Bine musste jeden Augenblick von der Arbeit nach Hause kommen. Und wie sie kam! Schnurstracks in die Küche. Ohne auch nur den Mantel abgelegt zu haben.
– Walter, wie kommst du dazu, in der Schule Stimmung gegen Frau van Butte zu machen? Wenn du mit Nikos Mutter ein Problem hast, musst du mir das sagen. Aber so – hinter meinem Rücken. Ehrlich, was ist denn da in dich gefahren!
Einen zweiten Frontalangriff auf deine Stimmung innerhalb weniger Stunden musst du einmal verdauen. Da half, gluck, nur noch mehr Retsina.
– Erstens schrei bitte nicht so. Und zweitens bin ich, wie du siehst, mitten im Kochen. Könntest du also wenigstens warten, bis wir sitzen?
– … und Lukas alles mithören kann? Sehr gut, setzen, Herr Supervater.
– Bitte! Bine! Du siehst doch, ich koche. Da muss ich mich konzentrieren.
Geh doch duschen, dann reden wir.
Sie ging duschen, blieb auch eine Weile – gluckgluckgluck! –, aber sie kam wieder. Setzte sich im Bademantel auf den Küchenhocker und starrte mir in den Rücken. Immerhin schrie sie nicht mehr. Dafür konnte ich im Nacken spüren, wie sie hinter meinem Rücken den Bogen spannte. Schon der erste Pfeil traf.
– Ich sehe, dass du Hörnchennudeln abseihst und, lass mich raten: später dann noch drei Eier darüber schlägst. Das nennst du kochen? Dafür musst du dich konzentrieren?
– Bine! Musssas sein?
– Muss es sein, dass mich Barba… Frau van Butte völlig aufgelöst anruft und mir mitteilt, dass du in der Schule ihren Sohn anschwärzt? Noch dazu völlig ungerechtfertigt.
Da baue ich Lukas zuliebe mühsam eine Beziehung zur Mutter seines besten Freundes auf, und du gehst her und machst mit ein paar blöden Sätzen alles kaputt. Die ist total sauer auf uns. Zu Recht. Weißt du eigentlich, dass das eine alleinerzieh…
– Besssen Freunds? Dass ich nichlache.
– Barbara hat deinetwegen eine Vorladung in die Direktion bekommen.
– Barbara. Aha! Duist mit der Mutter meins Todfeinds, also du bist mitr Mutter unsrs Todfds per du?
– Bist du betrunken?
– Ich binnichbetrnkn, ich bin in Vorweihnachsschiimmng.
– Du wirst das wieder gutmachten, hörst du? Du wirst dich entschuldigen.
– ’schuligung.
– Nicht bei mir, bei ihr.
– Beiwm?
– Ich muss dir in diesem Zusammenhang dann noch etwas sagen. Aber nicht jetzt, denn ich sehe, du bist stockbetrunken!
– Wiesssoll ich betrunknsn? Ich binnnich …
– Weil du lallst. Und seit zehn Minuten den Schafkäse abseihst.
Mitteilungsheft
Reingard Söllner
Donnerstag, 25. November
Sehr geehrter Herr Gruber!
Leider ist zwischen Ihrem Sohn Lukas und Niko van Butte jetzt ein offener Konflikt ausgebrochen. In Turnen ist es heute zu einer Rauferei gekommen, bei der es vermutlich nur deswegen keine gröberen Verletzungen gegeben hat, weil Frau Prof. Sibera den Schulwart zu Hilfe gerufen hat.
Dem Vernehmen nach hat Lukas wieder mit dem Streit begonnen.
Ich werde beide Buben morgen zu unseren Streitschlichtern schicken. Sollte das nichts nützen, schlage ich ein Gespräch aller Beteiligten vor.
Vielleicht gelingt es Ihnen, Kontakt zu Frau van Butte herzustellen, auf meine Nachricht auf ihre Sprachbox hat sie leider bisher nicht reagiert.
Reingard Söllner
Walter Gruber
U:
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