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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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ist schon wieder einer von der Bruck’n g’hupft«, sagt sie und schüttelt den Kopf. Ihre Tochter Traude schlägt im Nebenzimmer auf die Kissen ein und streicht das Leintuch glatt.
    »Was hast g’sagt? Ich versteh dich doch nicht, wenn ich die Betten mach!«
    »Der Jakob hat sein Telefon da liegen lassen! Geh, sei so lieb und nimm’s ihm mit, ich seh ihn ja kaum. Und anrufen kann ich ihn ja nicht, wo doch sein Telefon da ist.«
    »Als ob du ihn sonst anrufen würdest«, murmelt Traude und holt den Staubsauger aus dem Abstellraum.
    Traude Stierschneider ist nicht nur aufopfernde Mutter, sie ist auch aufopfernde Tochter. Die wahren Opfer ihrer Aufopferung sind die Beopferten selbst. Wie das goldene Kalb umwuselt Traude die Mutter und nimmt ihr das letzte Restchen Würde.
    Hedi Brunner sitzt im Schaukelstuhl, die Zeitung auf den Knien, und zählt das Ticken des Sekundenzeigers. Dabei wippt sie im Takt, vor-zurück, vor-zurück. Aus der Küche dringt Geschirrklapperoffbeat, aus dem Badezimmer Waschtrommeldownbeat. Vor-zurück schaukelt Hedi, während die Holzpantoffeln der Traude auf dem stumpfen Parkett klappern. »Geh rutsch ein Stückerl, sonst komm ich mit dem Wischer nicht ins Eck.«
    Jetzt ist sie bald fertig, denkt Hedi, die den Putzplan der Tochter auswendig kennt. Den Boden wischt sie immer ganz zum Schluss, aus der Fensterecke heraus, am Fernseher vorbei, sich selbst aus dem Zimmer, über den Gang in die Küche, wo sie den Eimer ausleert und den Fetzen über die Heizung hängt.
    »Und vergiss nicht, ab morgen kommt das Essen auf Rädern!«
    Dann endlich fällt die Tür ins Schloss. Hedi atmet tief ein und aus, legt die Zeitung beiseite und steht auf. Der Schaukelstuhl wippt noch ein wenig nach. Sie geht über den gewaschenen Vorzimmerboden in die Küche, bricht sich ein Stück Schokolade ab und steckt es in den Mund.

5  Marie steht am Hernalser Friedhof und sieht zu, wie man den Sarg in die Tiefe lässt. Ein wenig abseits steht sie, denn mit der Joemutter will sie nichts zu tun haben. Sicher sein will sie. Dass es wirklich wahr ist, dass der Ertrunkene, von dem sie in der Zeitung gelesen hat, ihr Joe ist. Schade eigentlich, denkt sie, auch wenn er ein Arschloch war. Aber die große Liebe vergisst man eben nicht so schnell, da bleibt immer ein bisschen Resthoffnung. Doch jetzt ist Joe tot.
    Als ihr Handy läutet, springt sie schnell hinter eine Hecke. Es soll niemand mitbekommen, dass sie hier ist, nicht Joes Mutter und Joes bester Freund Gery erst recht nicht.
    Es ist Jakob. Tagelang hat er nichts von sich hören lassen, und ausgerechnet jetzt ruft er an.
    »Ich ruf dich später zurück«, flüstert Marie in den Hörer und sieht den anderen dabei zu, wie sie Rosen auf den Sarg werfen. Rosen, denkt sie, warum werfen sie nicht Hanf hinunter, Joe konnte Rosen nicht ausstehen.
    Ein Kichern löst sich von ihren Lippen und sickert durch die Thujenhecke. Hüpft auf Gerys Schulter und setzt sich in den Gehörgang der Marianne Schreyvogl.
    Die dreht sich um. Wer hat da so blöd gelacht? Leidend wirft die trauernde Mutter ihren wimperntuschverhangenen Blick in die Menge und hält die schwarze Tasche fest umklammert, bereit zuzuschlagen, doch alle stehen sie mit ernsten Gesichtern da.
    »Psst«, sagt Marianne zu ihrem Bruder, dem guten Onkel Willi, der so gerne mit seinem kleinen Neffen gespielt hat. »Hörst du das?«
    Willi horcht, doch da ist nichts, nur die Vögel zwitschern ausgelassen.
    »Ich hör nichts«, sagt er und denkt: Er wird ihr doch nichts sagen, der kleine Johannes, man hört ja öfter von Seelen, die noch drei Tage lang über den toten Körpern schweben und versuchen, Kontakt mit den Lebenden aufzunehmen.
    »Das sind nur die Vögel«, sagt er deshalb schnell zur Schwester und zu sich: Dreh jetzt nicht durch, jetzt hast du es ja hinter dir.
    Es war keine leichte Zeit für den guten Willi damals, als man seinen Neffen in die Psychiatrie steckte. Manisch-depressiv sei er, hatte man der verzweifelten Mutter erklärt, doch dann schob man Joes Verhalten schließlich doch auf die Scheidung. Und das mit der Scheidung, denkt Willi jetzt, das wird schon stimmen, jeder Junge hängt schließlich an seinem Vater.
    »Komm, wir müssen los, die anderen sind schon am Weg ins Gasthaus.«
    Willi nimmt die Schwester am Arm und führt sie zum Ausgang. Als er zur Seite blickt, bemerkt er die junge Frau. Wieso gafft sie so herüber, hat die keinen Anstand, immer diese Gaffer, sensationsgeil sind die, gehen auf fremde

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