Mitten in der Nacht
ausgezeichnet. Einen Martini zu mixen habe ich immer als eine Art Kunst angesehen, und es überrascht und enttäuscht mich oft, wenn ich erlebe, dass die Besitzer einer Bar, eines Klubs oder eines Restaurants sich nicht genügend Mühe geben, einen perfekten Martini zu servieren.«
»Wenn man sich nicht bemüht, es richtig zu machen, lässt man es doch besser gleich bleiben, oder?«
»Genau. Es ist eine Frage des Stolzes, oder nicht? Was einen selbst angeht, die Arbeit oder das Leben. Fehler sind dabei willkommen und sogar notwendig, um uns menschlich und demütig zu machen. Aber einen Gast oder Kunden schlecht zu bedienen, obwohl man es besser könnte, empfinde ich als arrogant oder nachlässig. Oftmals auch beides.«
»Ich dulde keine halben Sachen«, sagte Lena und füllte eine Schale mit frischem Knabbergebäck. »Wenn ich keinen Martini machen kann, gut, dann muss ich mich damit eben so lange bremsen, bis ich es gelernt habe. Andererseits würde ich sowohl mich enttäuschen als auch die Person, die sich auf mich verlässt.«
»Eine gute Politik.« Colleen spießte eine Olive auf. »Wenn wir uns keine hohen Standards setzen, geben wir uns mit weniger zufrieden, als uns glücklich und produktiv macht, und hauen dabei die Leute übers Ohr, die für uns wichtig sind.«
»Wenn mir Leute wichtig sind – und ich bin in dieser Hinsicht sehr wählerisch –, möchte ich das Beste für sie. Sie mögen sich eventuell mit weniger begnügen, aber ich nicht.«
Als Patrick sich über Colleens Martiniglas beugte, sah sie ihn fragend an. »Was machst du da?«
»Ich versuche herauszufinden, was du in deinem Glas hast, was ich nicht habe.«
Da musste Lena lachen und ihre Schultern entspannten sich. »Er ist genauso schrecklich wie Sie, nicht wahr? Die Augen hat er aber von der Mama. Durchschaut einen damit. Selbst wenn man es nicht möchte. Er liebt Sie beide abgöttisch, und das ist mir nicht gleichgültig. Deshalb werde ich Ihnen jetzt etwas sagen.«
Sie beugte sich ein wenig weiter vor. »Ich komme aus ganz einfachen Verhältnissen. Stark, aber einfach. Meine Mutter ist zu nichts gut und mir peinlicher, als ich überhaupt ausdrücken kann. Aber mein Großvater war ein feiner und anständiger Mann. Meine Großmutter ist eine liebe Frau, besser als die meisten. Ich führe die Bar hier, weil ich es gut kann – und gern mache –, und ich vergeude meine Zeit nicht mit Dingen, die ich nicht mag.«
Sie strich sich das Haar hinters Ohr und hielt Colleens Blick stand. »Ich bin selbstsüchtig und ich bin starrköpfig, aber ich sehe nicht ein, was daran falsch sein soll. Sein Geld oder Ihr Geld ist mir egal, das können wir also außen vor lassen. Er ist der beste Mann, der mir je im Leben begegnet ist, aber ich bin nicht gut genug für ihn. Und das sage ich, obwohl ich weiß, dass ich für fast jeden gut genug bin, aber er ist anders. Wie sich herausgestellt hat, ist dieser Mann unter seiner umgänglichen Oberfläche sogar noch starrköpfiger, als ich es bin, und ich habe bis jetzt noch nicht herausgefunden, wie ich damit umgehen soll. Wenn ich so weit bin, wird er der Erste sein, der es erfährt. Und ich rechne damit, dass er Ihnen dieses Ergebnis mitteilen wird.«
»Tja.« Unbewusst spielte Lena an dem Schlüssel, den sie um ihren Hals trug. »Möchten Sie noch was zu trinken?«
»Nein danke, wir genießen diesen noch eine Weile«, erklärte Colleen.
»Entschuldigen Sie mich eine Sekunde. Wie ich sehe, wartet eine Bestellung auf mich.« Sie ging ans andere Thekenende, wo die Kellnerin mit dem leeren Tablett wartete.
»Nun?«, bohrte Patrick. »Ich denke, sie hat dir ganz ordentlich die Meinung gesagt.«
»Ja.« Höchst zufrieden nippte Colleen an ihrem Martini. »Sie wird schon die Richtige sein.«
»Ich bin nicht nervös.« Blass und aufgeregt stand Remy in der Bibliothek, während Declan ihm die Maiglöckchen ins Knopfloch seines Smokingrevers steckte.
»Wenn du das jetzt noch ein Dutzend Mal sagst, glaubst du es am Ende. Halt dich verdammt noch mal ruhig, Remy.«
»Ich bin ganz ruhig.«
»Aber sicher, bis auf den kleinen epileptischen Anfall, den du offenbar hast, bist du standhaft wie ein Fels.«
»Ich möchte Effie heiraten. Möchte mein Leben mit ihr verbringen. Das ist der Tag, auf den wir uns beide schon seit Monaten freuen.«
»Das stimmt. Heute«, meinte Declan trocken, »ist der erste Tag vom Rest deines Lebens.«
»Mir ist ein wenig übel.«
»Zum Kotzen ist es jetzt zu spät«, erklärte Declan
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