Mitten in der Nacht
fröhlich. »Dir bleiben gerade noch fünfzehn Minuten. Möchtest du, dass ich deinen Vater hereinhole?«
»Nein. Nein, er wird alle Hände voll mit Mama zu tun haben. Wie viele Leute, sagtest du, sind da draußen?«
»Ein paar hundert, als ich das letzte Mal einen Blick nach draußen geworfen habe, und es strömen immer mehr herbei.«
»Herrje, Herrje. Warum sind wir nicht einfach durchgebrannt? Man kann doch nicht erwarten, dass sich ein Mann vor Hunderten von Leuten hinstellt und für ewig sein Leben verändert.«
»Ich denke, man hat mit diesem Brauch begonnen, damit der Bräutigam sich nicht mehr verkrümeln konnte. Sie würden sich wie ein Lynchmob auf ihn stürzen.«
»Das beruhigt mich, cher. Wie wär's, wenn du mir ein gut eingeschenktes Glas Bourbon brächtest?«
Kommentarlos schlenderte Declan zu einem bemalten Schrank und holte eine Flasche heraus. »Habe mir schon gedacht, dass du einen Schluck brauchen wirst. Und das hier.« Dabei gab er ihm ein Päckchen scharfe Pfefferminzbonbons. »Ich möchte nicht, dass du die Braut mit Whiskey anhauchst. Denn sonst wäre womöglich sie diejenige, die grußlos verschwindet.«
Declan wollte schon einschenken, aber als die Tür nach einem flüchtigen Klopfen aufging und seine Mutter hereinmarschierte, ließ er Flasche und Glas blitzschnell hinter seinem Rücken verschwinden.
»Ihr seht beide wirklich großartig aus! Gib ihm aber nicht mehr als einen kleinen Schluck von diesem Whiskey, den du da hinter deinem Rücken versteckt hast, Declan, und achte darauf, dass er sich danach den Mund spült.«
»Ich habe Pfefferminzbonbons.«
»Gut.« Mit einem Lächeln kam sie auf die beiden zu und machte sich an Remys Krawatte zu schaffen. »Du bist nervös, weil das der wichtigste Tag in deinem Leben ist. Wenn du heute nicht zittern würdest, stimmte was nicht. Aber ich verspreche dir, dass es vorbei sein wird, sobald du Effie siehst. Sie sieht zauberhaft aus.«
Colleen nahm Remys Gesicht in ihre Hände. »Ich bin sehr stolz auf dich.«
»Und was ist mit mir?«, meldete sich Declan zu Wort. »Ich habe schließlich an die Pfefferminzbonbons gedacht.«
»Zu dir komme ich später. Du heiratest die Frau, die du liebst«, redete Colleen weiter. »Du bist umgeben von Freunden und Familienmitgliedern, die euch beide mögen. Es ist ein wunderbarer Tag, und dein Bruder – dein Herzensbruder – hat dafür gesorgt, dass auch das Drumherum stimmt. Jetzt nimmst du einen Schluck Bourbon, dann atmest du tief durch. Dann bewegst du deinen Hintern hier raus und heiratest.«
»Ja, Ma'am. Ich liebe Sie aus reinstem Herzen, Miss Colleen.«
»Das weiß ich. Ich liebe dich auch, aber ich werde dir keinen Kuss geben und dich mit Lippenstift beschmieren. Einen Schluck, Declan. Wenn dieser Junge hier angesäuselt rauskommt, mache ich dich dafür verantwortlich.«
Später sollte Declan dann feststellen, dass seine Mutter Recht gehabt hatte, wie immer. Als er neben Remy stand und Effie in duftigem Weiß auf die Galerie trat, spürte Declan, dass sich die Nervosität seines Freundes – seines Bruders – verlor. Er sah das breite Grinsen, das sich übers Remys Gesicht zog, und hörte sein weiches: »Das ist mein Mädchen.«
Sein eigener Blick wanderte über die Menschenreihen und begegnete dem Lenas. Und du bist meins, dachte er. Dieses Mal werden wir es hinkriegen.
Und so stand er im Frühlingsgarten mit dem alten weißen Haus, das sich aus dem grünen Rasen erhob, und sah zu, wie seine Freunde heirateten.
Als sie sich küssten und zu Mann und Frau erklärt wurden, brach Jubel los, und er war freier und feierlicher als der, den Declan bisher gewohnt gewesen war.
Er spürte, wie sein eigenes Grinsen breiter wurde, fast so breit wie das von Remy.
Unmittelbar nach der Zeremonie setzte die Musik ein. Fiedeln, Waschbretter, Akkordeons. Als der Fotograf in die Hocke ging, um Bräutigam und Braut festzuhalten, eiste Declan sich los und bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge hin zu Lena.
Sie trug Rot. Ein helles, knalliges Rot, das ihren Rücken bis auf ein verwirrendes Netz dünner Bänder frei ließ. Direkt über ihrem Herzen hatte sie die Emailleuhr mit den goldenen Flügeln befestigt, die Lucian einst Abigail geschenkt hatte.
»Ich habe mich schon gefragt, ob du die wohl jemals trägst.«
»Sie ist was Besonderes«, erklärte sie, »also hebe ich sie mir für besondere Anlässe auf. Es war eine schöne Hochzeit, Declan. Du hast gute Arbeit geleistet, indem du dieses Haus
Weitere Kostenlose Bücher