Mitten in der Nacht
Haufen geworfen. Das werden sie dir doch sicherlich vorwerfen?«
»Unter anderem.«
»Sie haben Unrecht. Und das weißt du auch, Dec. Du wirfst nichts über den Haufen. Du suchst dir nur was anderes. Entspann dich und genieße es. Du bist jetzt in New Orleans, jedenfalls fast. Hier nimmt man die Dinge leicht. Wir werden dir den Yankee schon sehr bald ausgetrieben haben. Hast du den Cajun-Twostepp schon geübt, und weißt du, wie man am Waschtag was aus roten Bohnen und Reis zaubert?«
»Ja, das kommt alles noch.«
»Wenn du dich erst mal ein bißchen eingewöhnt hast, kommst du in die Stadt, und dann gehen Effie und ich mit dir zum Essen. Ich möchte, dass du sie kennen lernst.«
Remy hatte seine Krawatte gelockert, sein Anzugjackett abgeworfen und die Ärmel seines anwaltblauen Hemds aufgekrempelt. Bis auf das Haar, fand Declan, sah er nicht viel anders aus als damals in Harvard, wo sie auch schon Pizza vertilgt und Bourbon gekippt hatten.
»Es ist dir also wirklich Ernst damit? Du heiratest?«
Remy stieß einen Seufzer aus. »Am zwölften Mai, egal, was auch passiert. Der schlimme Rumtreiber kommt endlich zur Ruhe. Sie ist die Frau, die ich immer haben wollte.«
»Eine Bibliothekarin.« Für Declan war das ein Wunder. »Du und eine Bibliothekarin.«
»Spezialistin für Recherche«, korrigierte Remy und brach in johlendes Gelächter aus. »Der hübscheste Bücherwurm, den ich je gesehen habe. Außerdem ist sie klug. Ich bin wahnsinnig verliebt in sie, Dec. Bin ganz verrückt nach ihr.«
»Das freut mich für dich.«
»Hast wohl nach wie vor Schuldgefühle wegen... wie hieß sie noch mal? Jennifer?«
»Jessica.« Das traf Declan wie ein Schlag, und er nahm rasch noch einen Schluck, um den Geschmack loszuwerden, den ihr Name auf seiner Zunge hinterließ. »Wenn man drei Wochen vor dem beabsichtigten Gang zum Traualtar seine Hochzeit abbläst, sollte man eigentlich schon Schuldgefühle bekommen.«
Remy quittierte dies mit einem Schulterzucken. »Vielleicht hast du Recht. Aber hättest du es zu Ende gebracht, hättest du dich bestimmt noch schlechter gefühlt.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen.« Noch immer starrte er schwermütig auf die Flasche. »Aber ich denke, sie wäre besser damit klargekommen, wenn wir die Hochzeit abgehalten und uns dann am nächsten Tag hätten scheiden lassen.« Er bekam noch immer Gewissensbisse. »Schlechter hätte ich es ohnehin nicht handhaben können. Jetzt geht sie mit meinem Cousin James.«
»James... James... Ist das der mit der quäkigen Mädchenstimme oder der mit den Draculahaaren?«
»Keiner von beiden.« Declans Lippen zuckten. Herrje, das war ihm ganz entgangen. »James ist der ohne Fehl und Tadel. Plastischer Chirurg, Polospieler, Briefmarkensammler.«
»Kleine Statur, fliehendes Kinn, breiter Yankeeakzent.«
»Genau, nur dass er kein fliehendes Kinn mehr hat. Implantat. Nach dem Urteil meiner Schwester scheint es zwischen den beiden ernst zu werden, was mir nur recht geschehe, wie sie mir zu verstehen gegeben hat.«
»Zum Teufel noch mal, dann lass doch deine Schwester Jennifer heiraten.«
»Jessica, und genau das habe ich ihr auch gesagt«, und fuchtelte zur Bestätigung mit der Flasche. »Darauf hat sie zwei Wochen lang nicht mehr mit mir geredet. Was eine Erleichterung war. Bei den Fitzgeralds stehe ich derzeit nicht hoch im Kurs.«
»Also weißt du, Dec, ich muss schon sagen, in Anbetracht der Umstände und so... pfeif drauf.«
Mit einem Lachen reichte Declan Remy die Flasche. »Darauf trinken wir einen.«
Er holte das nächste Stück Pizza aus der Schachtel. »Ich muss dich jetzt was zu dem Haus hier fragen. Ich habe Nachforschungen angestellt, hab mich gleich damals, nachdem wir zum ersten Mal hier waren, mit der Vergangenheit beschäftigt.«
»Als wir wie betrunkene Narren hier umhergestolpert sind.«
»Ja, was wir gleich wieder tun werden, wenn wir uns weiterhin den Bourbon so reinschütten. Jedenfalls weiß ich, dass es achtzehnhundertneunundsiebzig gebaut wurde, nachdem der ursprüngliche Bau durch ein Feuer ungeklärter Ursache abgebrannt ist, wobei aber sehr wahrscheinlich politische Hintergründe während des Wiederaufbaus und anderer Wirren der Zeit nach dem Bürgerkrieg eine Rolle gespielt haben.«
»Das heißt hier Krieg der Nördlichen Aggression, mein Junge.« Remy hob warnend den Zeigefinger. »Denk dran, auf welcher Seite der Mason-Dixon-Linie du deinen Yankeearsch von jetzt an niederplumpsen lässt.«
»Das stimmt. Tut mir
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