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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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Chance, ihn vielleicht doch mitnehmen zu können. Sie wollte ihn nicht hier, in diesem leeren Klassenzimmer, in dem jedes Wort von den Wänden widerhallte, mit der ganzen Wahrheit konfrontieren.
    Sie lächelte ihn an.
    „Sieh mal, dann wird sich sicher bald alles aufklären. Aber bis es so weit ist, musst du mit uns kommen.“
    Sven schüttelte energisch den Kopf.
    „Ich will erst nach Hause. Ich will nachsehen, ob Mama wirklich nicht da ist. Und ich will meine Sachen holen.“
    Die Sozialarbeiterin schüttelte den Kopf. Für sie selbst war der Anblick der Spurensicherer in ihren weißen Overalls erschreckend gewesen. Wie musste das auf Sven wirken, all diese Leute in seinem Zuhause anzutreffen?
    „Das geht nicht, Sven. Wir können morgen oder übermorgen hinfahren und deine Sachen holen.“
    Er begann zu weinen. Wieder sprang er auf und versuchte die Tür zu erreichen.
    Gregor Pfaff war schneller.
    „Okay, okay! Beruhige dich. Ich fahr mit dir nach Hause.“
    Er nickte seiner Kollegin zu und blickte auf die Uhr.
    „Gisela, hol du die Mädchen ab. Ich nehme mir mit Sven ein Taxi. Wir treffen uns im Kinderdorf.“
    Er beugte sich runter und suchte den Blick des Jungen.
    „Hör zu, ich mache das nur, wenn du mir versprichst, anschließend ohne Stress mitzukommen. Einverstanden?“
    Sven wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte stumm.
    Gisela Lohmeier schüttelte resigniert den Kopf.

51
    Auf der Fahrt zur Wohnung erklärte Pfaff ihm, dass seine Mutter bei der Polizei sei, aber dass sich sicher alles aufklären würde.
    Pfaff wählte bewusst das Wort „aufklären“. Er wollte dem Jungen etwas Tröstliches sagen. Er wollte den Jungen nicht belügen.
    „Mama hat gar nichts getan!“, maulte Sven trotzig.
    Pfaff machte einen vorsichtigen Versuch.
    „Wer hat Daniel denn ins Heim gebracht? Dein Vater oder deine Mutter?“
    Sven hatte seine Hände flach gegeneinander gelegt und zwischen die Oberschenkel geschoben. Er sah unverwandt zum Fenster hinaus.
    „Mama!“, antwortete er entschieden. „Mama hat Daniel vor Papa versteckt.“
    Pfaff wurde hellhörig.
    „Warum?“, entfuhr es ihm.
    „Papa wollte Daniel nicht haben. Er hat gesagt, Daniel ist ein Idiot. Darum musste er immer in seinem Zimmer bleiben und leise sein.“
    Pfaff schluckte.
    Das Taxi hielt vor dem Torbogen. Sven sprang sofort heraus und rannte in den Hof. Pfaff folgte ihm. Er erreichte den Jungen auf dem Wohnungsflur.
    Sven stand wie angewurzelt da und starrte den Mann an, der in seinem Zimmer den Schreibtisch ausräumte.
    Lembach drehte sich um, sah den Jungen und funkelte Pfaff wütend an.
    „Was soll das? Wer sind Sie?“
    Der Sozialarbeiter hob entschuldigend die Schultern und stellte sich vor.
    „Hören Sie, das ist Sven Koller.“ Er wies auf den Jungen. „Er will nur mit uns kommen, wenn er ein paar Sachen aus seinem Zimmer mitnehmen darf und selber gesehen hat, dass seine Mutter nicht mehr hier ist.“
    Lembachs Zorn verflog augenblicklich. Er nickte dem Junge zu.
    „Na gut. Dann machen wir mal eine Ausnahme. Komm herein und zeig mir, was du mitnehmen willst.“
    Sekundenlang stand Sven da und starrte Lembach an. Der meinte zu sehen, wie sich die Gedanken im Kopf des Kindes überschlugen.
    „Was ist denn los?“, fragte er den Jungen freundlich.
    Sven traten Tränen in die Augen. Dann senkte er den Kopf und verließ wortlos die Wohnung. Pfaff sah das feine Zucken der Schultern, während er dem Jungen folgte. Am Taxi hatte er sich wieder beruhigt. Er zog den Ärmel seines Pullovers über die Hand und wischte sich die Tränen ab. Auf der Fahrt zum Kinderdorf sprachen sie nicht.

52
    Am anderen Ende der Leitung meldete sich Lembach. Grube wehrte sofort ab.
    „Nein, Bernd, du musst dich an Joop wenden. Wir haben uns erstmal aufgeteilt. Linda und ich machen den Raub und den Mord an Andreas Koller. Den Fall Daniel Koller macht Joop.“
    Lembach schnaufte ungeduldig.
    „Dann bin ich bei dir auf jeden Fall richtig“, blaffte er ins Telefon. „Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich hier einen Teil der Beute gefunden. Uhren, Armbänder und Halsketten.“
    Grube gab Linda ein Zeichen und stellte das Telefon auf Lautsprecher.
    „Aber du bist doch …? Scheiße, wo hast du den Schmuck gefunden?“
    „Im Zimmer von Sven Koller. In einem Koffer auf dem Schrank.“
    Es entstand eine kleine Pause. Dann sprach Lembach weiter.
    „Der Junge war übrigens vorhin hier. Er wollte ein paar Sachen mitnehmen, aber dann ist er

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