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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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weiterer Donner-Erdrutsch am Nachthimmel herabrollte, starrte der Tote mit Augen zur Schlafzimmerdecke, die zu menschlich für sein sonstiges verzerrtes Äußeres waren.
    »Wollen Sie mir sagen, daß wir uns irgendwann einmal aus Hunden oder Wölfen entwickelt haben?« fragte Watkins.
    Shaddack antwortete nicht.
    Watkins beharrte auf dem Thema. »Wollen Sie mir einreden, daß wir Hundegene in uns haben, die wir anzapfen können, wenn wir uns verwandeln wollen? Soll ich etwa annehmen, daß Gott eine Rippe aus einem prähistorischen Las sie genommen und daraus den Mann gemacht hat, bevor er eine Rippe des Mannes nahm, um die Frau zu schaffen?«
    Shaddack berührte neugierig eine von Mike Peysers Händen, die so sicher zum Töten geschaffen war wie das Bajo nett eines Soldaten. Sie fühlte sich wie Fleisch an, nur kälter als die eines lebenden Menschen.
    »Das kann man nicht biologisch erklären«, sagte Watkins und sah Shaddack über den Leichnam hinweg an. »Diese Wolfsgestalt konnte Peyser nicht aus einer in seinen Genen gespeicherten Rassenerinnerung herausziehen. Also, wie konnte er sich so verwandeln? Hier sind nicht nur Biochips am Werk, sondern noch etwas anderes... etwas Seltsame res.«
    Shaddack nickte. »Ja.« Eine Erklärung war ihm eingefallen, die ihn erregte. »Etwas ungleich Seltsameres... aber vielleicht verstehe ich es.«
    »Dann sagen Sie es mir. Ich würde es gerne verstehen. Verdammt, wenn es nicht so ist. Ich würde es wirklich gerne genau verstehen. Bevor es mir zustößt.«
    »Es gibt eine Theorie, daß die Gestalt eine Funktion des Bewußtseins ist.«
    »Hm?«
    »Sie behauptet, wir sind das, was wir denken, was wir sind. Ich spreche hier nicht von Pop-Psychologie, daß man sein kann, was man will, wenn man sich nur selbst gut leiden kann, nichts dergleichen. Ich meine, wir könnten physisch das Potential in uns haben, das zu sein, was wir denken, die von unserem genetischen Erbe diktierte Stasis der Gestalt zu überwinden.«
    »Papperlapapp«, sagte Watkins ungeduldig.
    Shaddack stand auf. Er streckte die Hände wieder in die Manteltaschen. »Ich will es einmal so ausdrücken: Die Theorie besagt, daß das Bewußtsein die größte Macht des Universums ist, daß es die stoffliche Welt nach ihrem Willen formen kann.«
    »Bewußtsein über Materie.«
    »Richtig.«
    »Wie ein Talk-Show-Zauberer, der einen Löffel verbiegen oder eine Uhr zum Stillstehen bringen kann.«
    »Ich vermute, diese Leute sind meistens Scharlatane. Aber, ja, vielleicht ist diese Macht wirklich in uns. Wir wissen nur nicht, wie wir sie anzapfen sollen, weil wir uns Jahrmillionen lang von der stofflichen Welt haben beherrschen lassen. Wir sind durch Gewohnheit, Stasis und dadurch, daß wir der Ordnung den Vorzug über das Chaos geben, der Gnade der materiellen Welt ausgeliefert. Aber worüber wir uns hier unterhalten«, sagte er und deutete auf Sholnick und Peyser, »das ist komplexer und aufregender, als einen Löffel mit dem Verstand zu verbiegen. Peyser verspürte aus Gründen, die ich nicht verstehe, den Drang, regressiv zu werden, möglicherweise einzig wegen des Nervenkitzels...«
    »Wegen des Nervenkitzels.« Watkins' Stimme wurde leiser, beinahe gedämpt, und sie war von solcher Wut und Angst erfüllt, daß Shaddack noch mulmiger zumute wurde. »Animalische Macht ist aufregend. Animalische Bedürfnis se. Man verspürt animalischen Hunger, animalische Lust, Blutdurst - und man fühlt sich dazu hingezogen, weil es so... einfach und übermächtig scheint, so natürlich. Es ist die Freiheit.«
    »Freiheit?«
    »Freiheit von der Verantwortung, von Sorgen, vom Druck der zivilisierten Welt, vom allzu häufigen Denken. Der Wunsch, regressiv zu werden, ist außerordentlich stark, weil man spürt, daß das Leben danach viel einfacher und aufregender sein wird«, sagte Watkins und sprach damit offensichtlich das aus, was er selbst empfunden hatte, als er sich zu jenem veränderten Zustand hingezogen fühlte. »Wenn man zum Tier wird, besteht das Leben nur noch aus Empfindungen, nur Schmerz und Lust, ohne etwas intellektualisieren zu müssen. Das ist jedenfalls ein Teil davon.«
    Shaddack war stumm; ihn beunruhigte die Leidenschaft, mit der Watkins - normalerweise kein allzu offener Mensch
    - vom Drang, regressiv zu werden, gesprochen hatte.
    Ein weiteres Dröhnen ließ den Himmel erbeben, noch heftiger als die vorhergehende. Der erste Donnerschlag brachte die Schlafzimmerfenster zum Klirren.
    Shaddack sagte mit wirbelnden

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