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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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deshalb nicht weniger nachdrücklich, nicht mit echtem Zorn, aber mit Angst und einer beängstigenden Spur Wildheit: »Warum, zum Teufel, sollte sich einer von uns zu einer höheren Stufe mit noch weniger Freuden des Körpers und des Herzens verändern wollen? Intellektuelle Freuden reichen nicht aus, Shaddack. Das Le ben besteht aus mehr. Ein Leben, das nur intellektuell ist, ist unerträglich.«
    Während sich Watkins' Stirn langsam nach hinten krümmte und wegschmolz wie eine Schneemauer in der Sonne, bildeten sich dicke Knochenwülste um die Augen herum.
    Shaddack wich in den Kleiderschrank zurück.
    Watkins, der immer noch näherkam, sagte: »Herrgott! Begreifen Sie es immer noch nicht? Selbst ein Mann, der ans Krankenbett gefesselt und vom hals abwärts gelähmt ist, hat mehr in seinem Leben als nur intellektuelle Interessen; niemand hat ihm seine Gefühle und Emotionen geraubt; nie mand hat ihn zu Angst und reinem Intellekt reduziert. Wir brauchen Freuden, Shaddack, Freuden, Freuden. Ohne sie ist das Leben gräßlich. Freuden machen das Leben lebenswert.«
    »Aufhören.«
    »Sie haben es uns unmöglich gemacht, eine freudige Freisetzung von Emotionen zu erleben, daher können wir auch die Freuden des Fleisches nicht mehr erleben. Weil wir Lebewesen einer höheren Ordnung sind und den emotionalen Aspekt brauchen, um wahrhafte Freude an körperlicher Lust zu empfinden. Bei Menschen heißt es diesbezüglich alles oder nichts.«
    Watkins' Hände, die er an den Seiten zu Fäusten geballt hatte, wurden länger, mit geschwollenen Knöcheln und tabaksbraunen, spitzen Nägeln.
    »Sie verändern sich«, sagte Shaddack.
    Watkins achtete nicht auf ihn; er begann, undeutlicher zu sprechen, als seine Mundform sich langsam zu verändern anfing: »Daher fallen wir in den wilden veränderten Zustand zurück. Wir flüchten vor unserem Intellekt. Im Mantel der Bestie sind die Freuden des Fleisches unsere einzigen Freuden, die des Fleisches, des Fleisches... aber wenigstens kümmert uns nicht mehr, was wir verloren haben, daher bleibt das Vergnügen intensiv, so intensiv, tief und süß, süß, so süß. Sie haben... haben unser Leben unerträglich gemacht, grau und tot, tot, alles tot, tot... daher müssen wir Verstand und Körper zurückentwickeln... um eine lohnende Existenz zu finden. Wir... wir müssen fliehen... vor den schrecklichen Grenzen dieses eingeengten Lebens... dieses sehr eingeengten Lebens, das Sie uns gegeben haben. Menschen sind keine Maschinen. Menschen... Menschen... Menschen sind keine Maschinen*.«
    »Sie werden regressiv. Um Gottes willen, Loman!«
    Watkins blieb stehen schien desorientiert. Dann schüttelte er den Kopf, wie um die Verwirrung gleich einem Schleier abzuschütteln. Er hob die Hände, sah sie an und schrie entsetzt auf. Er sah an Shaddack vorbei zum Spiegel über der Kommode, und sein Schrei wurde lauter, schriller.
    Plötzlich nahm Shaddack überdeutlich den Gestank von Blut wahr, an den er sich gewöhnt hatte. Watkins mußte ihn noch deutlicher gespürt haben, ja, aber nicht voll Ekel, nein, überhaupt nicht voll Ekel, sondern voll Erregung.
    Wieder leuchtete ein Blitz und erschütterte Donner die Nacht, und plötzlich regnete es wahre Sturzbäche, die an die Fenster schlugen und auf das Dach trommelten.
    Watkins sah vom Spiegel zu Shaddack und hob eine Hand, als wollte er ihn schlagen, dann drehte er sich herum und stolperte aus dem Zimmer hinaus auf den Flur, weg vom durchdringenden Gestank des Blutes.
    Draußen sank er auf die Knie, dann auf die Seite. Er rollte sich zu einer Kugel zusammen, schlotterte heftig, stammelte, wimmerte, fauchte und sagte dazwischen immer wieder: »Nein, nein, nein, nein.«

57
    Als er nicht mehr dicht am Abgrund taumelte und sich wie der unter Kontrolle hatte, setzte Loman sich auf und lehnte sich an die Wand. Er war wieder schweißnaß und wurde von Hunger geschüttelt. Die teilweise Verwandlung und die Energie, die aufgeweckt worden war, ihren weiteren Verlauf zu verhindern, hatten ihn erschöpft. Er war erleichtert, fühlte sich aber auch unerfüllt, als wäre ein großer Preis in seiner Reichweite gewesen und gerade weggezogen worden, als er ihn berührt hatte.
    Ein hohles, irgendwie pochendes Geräusch umgab ihn. Zuerst dachte er, es wäre ein inneres Geräusch, nur in seinem Kopf, möglicherweise das leise Rauschen von Gehirnzellen, die aufloderten und an der Anstrengung abstarben, den re gressiven Drang zu unterdrücken. Dann wurde ihm klar, daß es

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