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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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im schwachen Schein der Nachtbeleuchtung, die vom Flur durch die Tür hereinschien, gerade noch erkennen, und dann konnte sie endlich auch wieder atmen. Er legte die Vorderpfoten auf die Matratze, da er zu wohlerzogen war, ganz aufs Bett zu springen. Er winselte leise und schien nur ein wenig Zuwendung zu wollen.
    Sie war sicher, daß sie die Tür vor dem Zubettgehen zugemacht hatte. Aber sie hatte hinreichend Beispiele für Mooses Klugheit gesehen und sie konnte davon ausgehen, daß er eine Tür aufmachen könnte, wenn er es wollte. Plötzlich wurde ihr auch deutlich, daß das Innere von Talbots Haus mit Einrichtungen versehen war, die es Moose leichter machten: keine Knöpfe, sondern Klinken, die das Schloß öffneten, wenn sie von einer Hand oder Pfote niedergedrückt wurden.
    »Einsam?« fragte sie und kraulte den Labrador sanft hin ter den Ohren.
    Der Hund winselte erneut und ließ sich ihre Zärtlichkeiten gefallen.
    Dicke Regentropfen klatschten ans Fenster. Sie fielen mit solcher Wucht herunter, daß sie sie draußen durch die Bäume platschen hören konnte. Wind wehte beharrlich gegen das Haus.
    »Nun, Kumpel, wie einsam du auch immer sein magst, ich bin bestimmt tausendmal müder, daher wirst du dich wohl zurückhalten müssen.«
    Als sie aufhörte, ihn zu streicheln, begriff er. Er ließ sich widerstrebend auf den Boden nieder, trottete zur Tür, sah sich noch einen Augenblick zu ihr um, ging auf den Flur hinaus, sah in beide Richtungen und wandte sich nach links.
    Das Licht vom Flur war minimal, aber es störte sie. Sie stand auf und machte die Tür zu, und als sie sich im Dunkeln zum Bett zurückgetastet hatte, wußte sie, daß sie nicht gleich wieder einschlafen würde.
    Zunächst einmal hatte sie sämtliche Kleidungsstücke an Jeans und T-Shirt und Pullover - und nur die Schuhe ausgezogen, und so fühlte sie sich nicht besonders wohl. Aber sie hatte nicht die Nerven, sich auszuziehen, denn dann würde sie sich so verwundbar fühlen, daß sie bestimmt gar nicht mehr schlafen könnte. Nach den Geschehnissen im Cove Lodge wollte Tessa darauf vorbereitet sein, schnell zu handeln.
    Außerdem war sie im einzigen Gästeschlafzimmer - es gab noch eines, aber das war nicht möbliert -, und Matratze und Steppdecke rochen leicht muffig, da sie jahrelang nicht benutzt worden waren. Es war einmal das Zimmer von Harrys Vater gewesen, dem auch das Haus gehört hatte, der aber vor siebzehn Jahren gestorben war, drei Jahre, nachdem sie Harry aus dem Krieg zurückgebracht hatten. Tessa hatte darauf bestanden, daß sie ohne Laken auskam, einfach auf der Decke schlafen oder, falls sie fror, unter die Decke schlüpfen und auf der bloßen Matratze liegen konnte. Nachdem sie Moose hinausgeschickt und die Tür zugemacht hatte, war ihr kalt, und als sie unter die Decke schlüpfte, schien in dem muffigen Geruch ein Hauch Mehltau mitzuschwingen, schwach, aber unangenehm.
    Sie hörte über das Prasseln des Regens hinweg den aufwärts fahrenden Fahrstuhl summen. Wahrscheinlich hatte Moose ihn gerufen. War er nachts immer so rege?
    Sie war zum Umfallen erschöpft, aber jetzt doch zu wach, ihre Gedanken einfach abzuschalten. Diese Gedanken waren zutiefst besorgniserregend.
    Nicht das Massaker im Cove Lodge. Nicht die grausigen Geschichten von Leichen, die wie Abfall ins Krematorium geschaufelt wurden. Nicht die Frau Parkins, die von unbekannten Tieren in Stücke gerissen worden war. Nicht die monströsen nächtlichen Jäger. Diese makabren Bilder trugen zweifellos dazu bei, den Kanal zu festigen, in den ihre Ge danken flössen, aber sie waren größtenteils nur ein ernster Hintergrund für persönlichere Überlegungen zu ihrem Leben und der Richtung, die es nahm.
    Da sie vor kurzer Zeit dem Tod begegnet war, war sie sich ihrer eigenen Sterblichkeit bewußter denn je. Das Leben war endlich. In der Regsamkeit und Hektik des täglichen Lebens wurde dieser Gedanke allzu oft vergessen.
    Jetzt konnte sie nicht anders, sie mußte darüber nachdenken, und sie fragte sich, ob sie zu sorglos mit ihrem Leben umging, zu viele Jahre verschwendete. Ihre Arbeit war befriedigend. Sie war eine glückliche Frau; für eine Lockland war es fast unmöglich, nicht glücklich zu sein, da sie alle auf Humor eingeschworen waren. Aber sie mußte sich in aller Ehrlichkeit eingestehen, daß sie nicht das bekam, was sie wirklich wollte. Wenn sie auf ihrem derzeitigen Kurs bliebe, würde sie es nie bekommen.
    Sie wollte eine Familie und einen Ort, wohin sie

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