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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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daß sie alle sterben würden, daß das Ding in seiner Hand sie umbringen würde, daß es eine Bombe oder so etwas war. Er wich rasch zur Tür zurück und sah, daß Tessa offensichtlich dasselbe dachte. Sie hatte Chrissie aus ihrer kauernden Haltung hochgezogen und die Tür aufgemacht.
    Aber wenn es eine Bombe gab, dann war es eine kleine, deren Wirkungsradius auf den Polizeibeamten beschränkt blieb. Sein Gesicht verzerrte sich plötzlich. Er sagte zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Gott.« Es war kein Ausruf, sondern ein Flehen oder möglicherweise eine unzureichende Beschreibung von etwas, das er gerade gesehen hatte, denn in diesem Augenblick fiel er tot zu Boden, ohne daß Sam eine Ursache dafür hätte sehen können.

34
    Als sie zu der Hintertür hinausgingen, durch die sie herein gekommen waren, stellte Sam als erstes fest, daß die Nacht still geworden war. Die schrillen Schreie der Gestaltveränderer hallten nicht mehr durch die neblige Stadt.
    Der Schlüssel steckte im Zündschloß des Lieferwagens., »Sie fahren«, sagte er zu Tessa.
    Sein Handgelenk war schlimmer denn je geschwollen. Es pochte so sehr, daß jeder schmerzhafte Pulsschlag durch je de Faser von ihm drang.
    Er setzte sich auf den Beifahrersitz.
    Chrissie schmiegte sich auf seinen Schoß, und er legte einen Arm um sie. Sie war ungewöhnlich still. Sie war erschöpft und am Rande des Zusammenbruchs, aber Sam wußte, die Ursachen für ihr Schweigen waren tiefgreifender als Müdigkeit.
    Tessa schlug die Tür zu und ließ den Motor an. Er mußte ihr nicht sagen, wohin sie fahren sollte.
    Auf dem Weg zu Harrys Haus stellten sie fest, daß es auf den Straßen von Leichen geradezu wimmelte, aber nicht von Leichen gewöhnlicher Männer und Frauen, sondern - wie ihre Scheinwerfer ohne jeden Zweifel bestätigten - von Kreaturen aus einem Gemälde von Hieronymus Bosch, verzerrte und phantastische Gestalten. Sie fuhr langsam und manövrierte um sie herum, und ein paarmal mußte sie auf den Gehweg fahren, um einem Rudel auszuweichen, das nebeneinander gestürzt war und offensichtlich von derselben unsichtbaren Kraft gefällt worden war, die auch den Polizisten in der Central getötet hatte.
    Shaddack ist tot. Sein Herzschlag wird nicht mehr übertragen, daher leitet Sonne jetzt im Augenblick das letzte Programm ein...
    Nach einer Weile vergrub Chrissie das Gesicht an Sams Brust und sah nicht mehr zur Windschutzscheibe hinaus.
    Sam sagte sich immer wieder, daß die gestürzten Kreaturen Phantome waren, daß so etwas nicht existieren konnte, sei es durch Anwendung von Technologie oder Zauberei. Er rechnete jedesmal, wenn sie von einem Nebelschleier verdeckt wurden, felsenfest damit, daß sie verschwinden würden, aber wenn sich der Nebel verzog, lagen sie immer noch auf der Straße, dem Gehweg oder auf Rasenflächen.
    Von diesen Schrecken und der Häßlichkeit umgeben, konnte er kaum glauben, daß er so närrisch gewesen war, Jahre seines kostbaren Lebens in Düsternis zu verbringen, ohne die Schönheit der Welt zu sehen. Er war ein einmaliger Narr gewesen. Wenn die Dämmerung kam, würde er nie wieder an einer Blume vorübergehen, ohne das Wunder zu bestaunen, das kein Mensch erschaffen konnte.
    »Sagen Sie es mir jetzt?« fragte Tessa, als sie noch einen Block von Harrys Rotholzhaus entfernt waren.
    »Was?«
    »Was Sie gesehen haben. Ihr Sterbeerlebnis. Was haben Sie auf der anderen Seite gesehen, das Ihnen solche Angst gemacht hat?«
    Er lachte unsicher. »Ich war ein Idiot.«
    »Schon möglich«, sagte sie. »Erzählen Sie es mir und lassen Sie mich urteilen.«
    »Nun, ich kann es Ihnen nicht genau beschreiben. Es war mehr begreifen als sehen, mehr eine seelische als eine visuelle Wahrnehmung.«
    »Und was haben Sie begriffen.«
    »Daß wir von dieser Welt in eine nächste wandern«, sagte er. »Daß wir entweder auf einer anderen Ebene weiterleben, ein Leben nach dem anderen auf einer endlosen Abfolge von Ebenen... oder daß wir reinkarniert wieder auf dieser Ebene landen. Ich bin nicht sicher, was es ist, aber ich spürte es durch und durch, wußte es, als ich das Ende des Tunnels erreicht hatte und das Licht sah, das strahlende Licht.«
    Sie sah ihn an. »Und das hat Sie so entsetzt?«
    »Ja.«
    »Daß wir wieder leben?«
    »Ja. Weil ich das Leben so trostlos fand, verstehen Sie, als eine Folge von Tragödien, von Leid. Ich hatte die Fähigkeit verloren, die Schönheit des Lebens zu sehen, die Freude, daher wollte ich nicht sterben und wieder

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