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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schwarzweiße Wagen rechts ab und fuhr nach Westen, weg von ihm.
    Obwohl die Gefahr vorbei war, blieb Sam in dem dunklen Eingang stehen und verfolgte im Geiste seinen Weg vom Cove Lodge zum Rathaus, von dort zur Union 76 und schließlich bis zu seiner mo mentanen Position. Er konnte sich nicht erinnern, daß er an einem Haus vorbeigekommen wäre, in dem Musik spielte, ein Fernseher lief oder Gelächter von Menschen auf eine Party hindeutete. Er hatte keine jungen Leute gesehen, die sich in parkenden Autos einen letzten Kuß gaben. Die wenigen Restaurants und Gasthäuser waren offenbar geschlossen, das Kino hatte dichtgemacht, und, abgesehen von ihm und der Polizei, hätte Moonlight Cove eine Geisterstadt sein können. Die Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Küchen hätten nur von verwesenden Leichen bevölkert sein können - oder von Robotern, die tagsüber für Menschen galten und nachts aus Gründen der Energieersparnis abgeschaltet wurden, wenn es nicht notwendig war, die Illusion von Leben aufrechtzu erhalten.
    Das Wort >Verwandlung< beunruhigte ihn zunehmend mehr, ebenso wie seine geheimnisvolle Bedeutung im Zusammenhang mit dem Projekt Moonhawk, als er aus dem Eingang trat, um die Ecke bog und die hell erleuchtete Straße entlang zur Wäscherei lief. Er sah das Telefon, als er die Glastür aufstieß.
    Er eilte halb durch den langen Raum - rechts Trockner, eine Doppelreihe Waschmaschinen Rücken an Rücken in der Mitte, ein paar Stühle am Ende der Reihe, weitere Stühle an der linken Wand, zusammen mit Süßigkeitenautomaten und Waschmittelspendern und einem Tisch, um Wäsche zusammenzulegen -, bis er bemerkte, daß die Wäscherei gar nicht verlassen war. Eine kleine Blondine in verblichenen Jeans und einem blauen Pullover saß auf einem der gelben Plastikstühle. Keine Waschmaschine und kein Trockner lief, und die Frau schien keinen Wäschekorb bei sich zu haben.
    Sie verblüffte ihn so sehr - eine lebende Person, ein lebender Mensch in dieser grabesstillen Nacht -, daß er stehenblieb und blinzelte.
    Sie kauerte auf dem Rand des Stuhls und war augenscheinlich nervös. Ihre Augen waren aufgerissen. Sie hatte die Hände im Schoß verkrampft. Sie schien den Atem anzuhalten.
    Als ihm klar wurde, daß er ihr Angst machte, sagte Sam: »Tut mir leid.«
    Sie sah ihn an, als wäre sie ein Kaninchen, das sich dem Fuchs gegenübersieht.
    Als ihm bewußt wurde, daß er wild dreinblicken mußte, vielleicht sogar panisch wirkte, fügte er hinzu: »Ich bin nicht gefährlich.«
    »Das sagen sie alle.«
    »Tatsächlich?«
    »Aber ich bin es.«
    Er sagte verwirrt: »Was sind Sie?«
    »Gefährlich.«
    »Wirklich?«
    Sie stand auf. »Ich habe den schwarzen Gürtel.«
    Zum ersten Mal seit Tagen huschte ein aufrichtiges Lä cheln über Sams Gesicht. »Können Sie mit bloßen Händen töten?«
    Sie sah ihn einen Augenblick blaß und zitternd an. Als sie schließlich sprach, war ihr gekränkter Zorn exzessiv. »He, machen Sie sich nicht über mich lustig, Arschloch, sonst schlage ich Sie zusammen, daß Sie sich beim Laufen wie ein Sack Bruchglas anhören.«
    Von ihrer Heftigkeit überrascht, nahm Sam allmählich die Einzelheiten in sich auf, die ihm beim Eintreten aufgefallen waren. Keine Waschmaschinen oder Trockner in Betrieb. Kein Waschkorb. Kein Waschmittelkarton und keine Weichspülerflasche.
    »Was stimmt nicht?« fragte er plötzlich argwöhnisch.
    »Nichts, wenn Sie mir vom Leibe bleiben.«
    Er fragte sich, ob sie wußte, daß die hiesige Polizei scharf darauf war, ihn zu erwischen. Aber das schien verrückt. Woher sollte sie es wissen? »Was haben Sie hier zu suchen, wenn Sie nichts zu waschen haben?«
    »Was geht Sie das an? Gehörte Ihnen diese Klitsche?« wollte sie wissen.
    »Nein. Und erzählen Sie mir nicht, daß sie Ihnen gehört.«
    Sie sah ihn böse an.
    Er betrachtete sie und merkte erst allmählich, wie attraktiv sie war. Ihre Augen waren so leuchtend blau wie ein Junihimmel, ihre Haut so rein wie Frühlingsluft, und sie schien an dieser dunklen Oktoberküste völlig fehl am Platze zu sein, geschweige denn in einer schäbigen Wäscherei um ein Uhr dreißig am Morgen. Als ihm ihre Schönheit endlich völlig zu Bewußtsein gekommen war, fielen ihm auch andere Dinge auf, auch das Ausmaß ihrer Angst, das sich in ihren Augen, den Linien um sie herum und an ih rem Mund zeigte. Es war eine Angst, die größer war als jede mögliche Bedrohung, die von ihm ausgehen konnte. Wäre er ein zwei Meter großer, hundertfünfzig Kilo

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