Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
schwerer, tätowierter Rocker mit einem Revolver in einer und einem zehn Zoll langen Dolch in der anderen Hand und wä re er Psalmen an Satan singend in die Wäscherei gestürzt, dann wären ihr blutleeres Gesicht und das Entsetzen in ih ren Augen verständlich gewesen. Aber er war nur Sam Booker, dessen größter Vorteil als Agent sein durch und durch normales Äußeres war, sowie seine Aura der Harmlosigkeit.
    Da ihn ihre Angst nervös machte, sagte er: »Das Telefon.«
    »Was?«
    Er deutete auf den Münzfernsprecher.
    »Ja«, sagte sie, als wollte sie bestätigen, daß es sich tatsächlich um ein Telefon handelte.
    »Ich wollte nur telefonieren.«
    »Oh.«
    Er behielt sie im Auge, während er zum Telefon ging, seine Münze einwarf, aber kein Freizeichen bekam. Er holte die Münze wieder heraus und versuchte es noch einmal. Nichts.
    »Verdammt!« sagte er.
    Die Blondine war zur Tür geschlichen. Sie blieb stehen, als erwartete sie, daß er sich auf sie stürzen und sie niederzerren würde, wenn sie versuchte, die Wäscherei zu verlassen.
    Moonlight Cove erzeugte in Sam eine übermächtige Paranoia. Er betrachtete seit ein paar Stunden jeden Menschen in der Stadt als potentiellen Gegner. Und plötzlich wurde ihm klar, daß das seltsame Verhalten dieser Frau auf dieselbe Geisteshaltung wie seine zurückzuführen war. »Ja, natürlich, Sie sind nicht von hier, nicht aus Moonlight Cove?«
    »Und?«
    »Ich auch nicht.«
    »Und?«
    »Und Sie haben etwas gesehen.«
    Sie starrte ihn an.
    Er sagte: »Etwas ist geschehen, Sie haben etwas gesehen, und Sie haben Angst, und ich wette, dazu haben Sie verdammt guten Grund.«
    Sie sah aus, als wollte sie zur Tür stürzen.
    »Warten Sie«, sagte er hastig. »Ich bin vom FBI.« Seine Stimme krächzte ein wenig. »Wirklich.«

44
    Weil er ein Nachtmensch war und es immer vorgezogen hatte, tagsüber zu schlafen, befand sich Thomas Shaddack in seinem teakholzgetäfelten Arbeitszimmer, trug einen grauen Jogginganzug und arbeitete am Computer an einem Aspekt des Projekts Moonhawk, als Evan, sein Nachtdiener, durchläutete und ihm sagte, daß Loman Watkins vor der Tür stünde.
    »Bringen Sie ihn zum Turm«, sagte Shaddack. »Ich werde gleich zu ihm kommen.«
    Heutzutage trug er selten etwas anderes als Jogginganzü ge. Er hatte mehr als zwanzig im Schrank - zehn schwarze, zehn graue und ein paar marineblaue. Sie waren angenehmer als andere Kleidung, und indem er seine Wahlmöglichkeiten beschränkte, sparte er Zeit, die er ansonsten damit vergeudet hätte, die Garderobe des Tages zusammenzustellen, eine Aufgabe, für die er kein Geschick hatte. Mode interessierte ihn nicht. Außerdem war er schlaksig - große Füße, dünne Beine, knotige Knie, lange Arme, knochige Schultern - und so dünn, daß er nicht einmal in maßgeschneiderten Anzügen gut aussah. Kleidungsstücke hingen entweder seltsam an ihm herunter oder betonten seine Magerkeit in einem solchen Ausmaß, daß er wie der personifizierte Tod aussah, ein unglücklicher Vergleich, der sich zusätzlich durch seine weiße Haut, das fast schwarze Haar, scharfgeschnittene Züge und gelbliche Augen aufdrängte.
    Er trug die Jogginganzüge sogar zu den Aufsichtsratssit zungen von New Wave. Wenn man auf seinem Gebiet ein Genie war, dann erwarteten die Leute, daß man exzentrisch war. Und wenn man über ein Privatvermögen verfügte, das in die hunderte Millionen ging, dann akzeptierten sie das Exzentrische kommentarlos.
    Sein ultramodernes Betonhaus am Rand der Klippe an der Nordspitze der Bucht war ebenfalls Ausdruck seiner kalku lierten Nonkonformität. Die drei Stockwerke waren wie die Schichten einer Torte, aber jede Schicht hatte eine andere Größe als die anderen - die größte oben, die kleinste in der Mitte -, und sie waren nicht konzentrisch, sondern versetzt, und verliehen dem Haus bei Tage das Aussehen einer gigantischen, avantgardistischen Skulptur. Wenn nachts die Myriaden Fenster erleuchtet waren, sah es nicht mehr wie eine Skulptur, sondern wie das raumfahrende Mutterschiff einer erobernden außerirdischen Streitmacht aus.
    Der Turm war etwas Exzentrisches auf dem Exzentrischen, er erhob sich abseits der Mitte vom dritten Stock weitere zwölf Meter in die Höhe. Er war nicht rund, sondern oval, nicht wie ein Turm, in dem eine Prinzessin auf ihren umherziehenden Prinzen harrte oder in dem ein Ritter seine Feinde gefangenhielt und folterte, er erinnerte vielmehr an den Turm eines U-Boots. Man konnte den großen, verglas

Weitere Kostenlose Bücher