Mitternachtsfantasie
Angelegenheiten anderer Leute eingemischt, und dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu ändern. Sie stieg aus.
„Ich kann dir gar nicht genug danken“, sagte sie, als Amelia ihr half, die Lebensmittel zur Haustür zu tragen.
„Ich tue nur einer Freundin einen Gefallen, die oft genug etwas für mich getan hat.“
Raelene starrte sie an. Das stimmte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie eine Freundin, die nicht über sie urteilte, sondern sie einfach akzeptierte.
Ihr stiegen Tränen in die Augen, und sie blinzelte sie weg, während sie nach ihrem Schlüssel kramte. „Danke. Du bist ein Schatz.“
„Jederzeit“, sagte Amelia leise.
Als Raelene dann dem kleinen roten Auto nachsah, wusste sie, dass Amelia es ernst gemeint hatte. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, dass notfalls jemand da war, an den sie sich wenden konnte, auch wenn sie es vermutlich nie tun würde.
9. KAPITEL
R egen trommelte gegen die Fensterscheiben. Amelia wachte auf und setzte sich ruckartig im Bett hin. Ein Ast schlug gegen das Dach, und ihr war klar, dass am Morgen wahrscheinlich Dachziegel im Hof liegen würden.
Es donnerte. Dann kam von unten ein scharfer Knall.
„Oh nein! Hoffentlich kein Fenster!“
Amelia wollte ihre Nachttischlampe einschalten, doch es blieb dunkel. Kein Strom! Sie sprang aus dem Bett, schlüpfte in ihre Hausschuhe, holte sich eine Taschenlampe und ging nach unten. Als Amelia die Treppe halb hinuntergegangen war, hörte sie oben heftiges Poltern und leises Stöhnen.
„Tante Witty? Tante Rosie?“
Sie kehrte um und lief in Tante Rosies Zimmer. Die saß auf ihrem Bett und starrte ihre Nichte verängstigt an.
„Tante Rosie, geht es dir gut?“
„Ich glaube, Willy ist gestürzt.“ Sie wollte aus dem Bett steigen.
„Rühr dich nicht“, befahl Amelia. „Wir haben kein Licht, und ich will nicht, dass du auch noch fällst. Ich bin gleich zurück.“
Amelia rannte über den Flur und leuchtete in Wilheminas Zimmer. Das Licht der Taschenlampe genügte, um ihr zu zeigen, dass ihre Tante auf dem Boden lag. Ihr Fuß hatte sich im Laken verfangen, und über ihre Stirn rann Blut.
Amelia kniete sich neben sie und tastete nach ihrem Puls. Er war da, schwach, aber regelmäßig. „Tante Witty, bitte sprich mit mir!“
„Amelia?“
Ihre Stimme war ebenfalls schwach und zittrig. Das war gar nicht die Wilhemina, die Amelia kannte und liebte.
Und dann rief Rosemary: „Ist sie verletzt? Sag ihr, ich komme.“
„Nein!“, schrie Amelia. „Warte auf mich.“ Sie rannte zurück und kam gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass ihre Tante allein durch die Dunkelheit tappte.
„Komm.“ Sie leuchtete ihr mit der Taschenlampe. „Du musst bei Tante Witty bleiben, während ich Hilfe hole. Sie ist gefallen und hat sich am Kopf verletzt.“
„Du meine Güte.“ Rosemary begann zu weinen.
„Tante Rosie!“, rief Amelia so scharf, dass Rosemary auf der Stelle wieder aufhörte zu weinen. „Du darfst jetzt nicht zusammenbrechen. Wir brauchen dich.“
Rosemary ließ sich von Amelia über den Flur führen. Amelia nahm ein Kissen vom Bett, drückte Rosemary darauf und reichte ihr einen Waschlappen.
„Hier press den sanft gegen die Platzwunde. Ich rufe einen Krankenwagen.“
Rosemary gehorchte, während Amelia im Flur verschwand. Zum ersten Mal war es nicht Wilhemina, die die Führung übernahm, aber Rosemary stellte erleichtert fest, dass Amelia eine fähige Frau war.
Wilhemina bewegte sich.
„Rosemary bist du das?“
„Ja, Willy, ich bin es. Lieg still. Amelia holt Hilfe. Es kommt alles in Ordnung.“
Amelia hastete zum Telefon, aber die Leitung war tot. Kein Strom.
„Oh nein, oh nein.“ Wie sollte sie Hilfe holen? Sie kämpfte gegen ein Gefühl der Panik an. Es gab keine andere Möglichkeit, als sich selbst auf den Weg zu machen.
Sie rannte wieder nach oben, wobei sie die Treppe hinaufstolperte.
„Willy spricht mit mir“, berichtete Rosemary. „Ihr Kopf scheint nicht mehr zu bluten, aber sie hat sich auch den Knöchel verletzt. Ist der Krankenwagen unterwegs?“
Amelia versuchte, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen. „Das Telefon geht nicht. Ich ziehe mich an und fahre zum Polizeirevier. Die Polizei kann uns Hilfe schicken.“
Wilhemina griff nach ihrer Nichte. „Nein, Amelia! Du könntest in dem Sturm einen Unfall haben.“
„Das geht schon. Versprich mir, dass du still liegen bleibst.“
„Sie wird tun was ich sage“, erklärte Rosemary schnell. „Wir rühren uns nicht
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