Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Vormund. Dummerweise konnte ich niemanden dazu bewegen, dich aufzunehmen. So, wie du dich benimmst, ist das auch nicht weiter verwunderlich.«
»Ich werd mich bessern! Ehrenwort! Und ich bin eine ausgezeichnete Köchin.«
Er lachte abfällig. »Verdammt noch mal, Männer nehmen sich bestimmt keine Geliebte, damit die ihnen ein anständiges Essen auf den Tisch bringt! Sie suchen sich eine Frau, die sich weiblich gibt, die gut aussieht und gut riecht.«
»Ich rieche gut! Ganz ehrlich! Schnuppern Sie mal!« Kit hob bereitwillig den Arm, doch er schüttelte nur fassungslos den Kopf.
»Sie möchten eine Frau, die lächelt und ihnen schöne Dinge sagt und die eine Offenbarung im Bett ist. Damit scheidest du aus!«
Kit überwand ihren letzten Rest Stolz. »Das könnte ich lernen.«
»Du gibst nie auf, was?« Gedankenvoll stapfte er über den verunkrauteten Kiesweg. »Meine Entscheidung steht.«
»Bitte! Sagen Sie jetzt nicht, dass…«
»Risen Glory wird nicht verkauft.«
»Nicht verkauft…«, wiederholte Kit gepresst. Unvermittelt glitt ein strahlendes Lächeln über ihre Züge. »Oh, Major! Damit… damit machen Sie mir die größte Freude meines Lebens!«
»Halt mal die Luft an. Es gibt da eine Bedingung.«
Kits Rücken überkam ein unangenehm warnendes Prickeln. »Ach, bitte, keine Bedingungen! Dergleichen brauchen wir bestimmt nicht.«
Er trat in das diffuse Zwielicht, das aus dem Speiseraum nach draußen fiel. »Du musst nach New York zurückkehren und eine Schule besuchen.«
»Schule!«, entfuhr es Kit ungläubig. »Ich bin achtzehn und damit zu alt für die Schule. Außerdem hab ich mir vieles selbst beigebracht.«
»Diese Schulen meinte ich nicht. Sondern ein Mädchenpensionat, wo man Auftreten und Etikette und andere Umgangsformen lernt, die dir völlig fehlen.«
»Ich soll in ein Mädchenpensionat?« Sie war erschüttert. »Also, das ist das Dümmste, Kindischste –« Als sie seine düster umwölkte Stirn bemerkte, änderte sie schnell ihre Taktik. »Lassen Sie mich doch hier bleiben. Bitte. Ich mach Ihnen auch keinen Ärger. Ganz bestimmt nicht. Ich kann irgendwo draußen schlafen, dann merken Sie nicht mal, dass ich überhaupt hier bin. Ich kann mich überall nützlich machen. Immerhin kenne ich die Plantage besser als jeder andere. Bitte lassen Sie mich doch bleiben.«
»Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.«
»Nein, ich…«
»Wenn du kein Einsehen zeigst, verkaufe ich Risen Glory augenblicklich. Dann wirst du die Plantage nie bekommen.«
Ihr war auf einmal übel. In diesem Moment hasste sie ihn so sehr, dass sich ihr Magen schmerzhaft verknotete. »Wie… wie lange muss ich in diesem Mädchenpensionat bleiben?«
»Bis du dich wie eine Dame benimmst, schätze, es liegt ganz bei dir.«
»Sie können mich dort auf ewig schmoren lassen, nicht?«
»Stimmt. Also gut, sagen wir drei Jahre.«
»Das ist viel zu lange. Dann bin ich einundzwanzig.«
»Du hast noch eine Menge zu lernen. Entscheide dich.«
Sie musterte ihn betreten. »Und danach? Kann ich Risen
Glory dann mit meinem Treuhandvermögen von Ihnen zurückkaufen?«
»Das diskutieren wir, wenn es so weit ist.«
Wenn er es darauf anlegte, konnte er sie jahrelang von ihrem geliebten Risen Glory verbannen. Kit drehte sich auf dem Absatz um und lief zurück in den Speiseraum. Sie hatte sich sogar zu dem Vorschlag herabgelassen, seine Geliebte zu werden. Oh, wie sie ihn hasste! Wenn ihr Exil beendet und Risen Glory wieder in ihrem Besitz wäre, würde er bitter dafür büßen müssen.
»Und, wie sieht’s aus, Kit?«, fragte er hinter ihr.
Sie spielte auf Zeit, zögerte ihre Antwort heraus. »Sie setzen mir die Pistole auf die Brust, was, Yankee?«
»Na, na, na.« Eine Frauenstimme, kehlig und verführerisch weich, drang aus der Eingangshalle zu ihnen. »Wen hat unsere Kleine denn da aus New York mitgebracht?«
»Sophronia!« Kit schoss durch das Esszimmer und in die Arme der Frau, die sich lasziv im Türrahmen aufbaute. »Wo warst du?«
»In Rutherford. Jackson Baker ist krank.«
Cain taxierte die Fremde verblüfft. Also das war Sophronia, von der Kit ihm erzählt hatte. Sie war ganz anders als in seiner Vorstellung.
Er hatte geglaubt, sie wäre älter, dabei war sie sicher erst Anfang zwanzig und eine Frau von exotisch anmutender Schönheit. Schlank und groß, überragte sie Kit um einiges. Sie hatte aparte hohe Wangenknochen, eine Haut von einem sanften Karamellton und topasfarbene Mandelaugen, die sie langsam hob,
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