Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
trug er keine Krawatte bei Tisch, und die oberen Kragenknöpfe standen offen. Sie ertappte sich dabei, wie sie seine sehnige Nackenmuskulatur fixierte, und sah spontan weg.
»Und, was hast du mir vorzuschlagen?«
»Mmmh … also…«, druckste sie herum. »Wie Sie sich bestimmt vorstellen können, besteht Ihr Teil der Abmachung darin, Risen Glory so lange zu behalten, bis ich es zurückkaufen kann.«
»Das dachte ich mir.«
»Es ist ja nicht für immer«, sagte sie hastig. »Nur fünf Jahre, bis ich über das Geld aus dem Treuhandkonto verfügen darf.«
Er beobachtete sie. Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Jetzt kam der heikelste Teil. »Sicher erwarten Sie dafür eine Gegenleistung.«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
Einfach ekelhaft, dieses belustigte Aufflackern in seinen Augen! »Was ich Ihnen anbieten möchte, klingt vielleicht ein bisschen ungewöhnlich. Aber wenn Sie genauer darüber nachdenken, ist es verflucht fair.« Sie schluckte.
»Na, dann raus mit der Sprache.«
Sie kniff die Lider zusammen, atmete einmal tief ein und wieder aus. »Ich biete Ihnen an, Ihre Geliebte zu werden.«
Er hustete, als hätte er sich verschluckt.
»Klar, dass Sie das jetzt überrascht«, sprudelte sie los. »Aber Sie müssen doch zugeben, dass ich bei weitem pflegeleichter bin als diese New Yorker Schickeria-Ladys. Ich kichere nicht dämlich rum oder klimpere mit den Wimpern. Ich kann beim besten Willen nicht flirten, und ich langweile Sie auch ganz bestimmt nicht mit irgendwelchen Mops-Geschichten. Und noch was, Sie müssen nicht mehr zu irgendwelchen langweiligen Bällen oder steifen Abendgesellschaften, sondern können mit mir jagen und fischen und reiten gehen. Wir hätten jede Menge Spaß miteinander.«
Cain fing an zu lachen.
Kit dachte sehnsuchtsvoll an das Messer, das er ihr schnöde weggenommen hatte. »Würden Sie mir mal bitte erklären, was daran so lustig ist?«
Mühsam fasste er sich wieder. Er stellte sein Glas ab und erhob sich vom Tisch. »Kit, weißt du überhaupt, warum Männer sich Geliebte halten?«
»Na klar. Immerhin lese ich gerade Das ausschweifende Leben Ludwigs XV. «
Er hob fragend die Brauen.
»Madame Pompadour«, führte Kit aus, »war die Geliebte von Ludwig XV. Von daher hab ich doch die Idee.«
Sie ließ unerwähnt, dass Madame de Pompadour zudem die mächtigste Frau in Frankreich gewesen war. Mit ihrer scharfen Intelligenz hatte sie den König und das Land in der Hand gehabt. Als Geliebte des Majors, überlegte Kit, wäre sie durchaus auch in der Lage, über das Schicksal der Plantage zu bestimmen.
Cain wollte etwas sagen, unterbrach sich kopfschüttelnd und trank den Rest Brandy. Dann sah er sie eindringlich an. »Mit Jagen und Fischen ist es dabei nicht getan. Was meinst du, was ein Mann von einer Geliebte sonst noch möchte?«
Kit errötete betreten. Diesen Teil hatte das Buch leider nur am Rande gestreift.
Auf einer Plantage groß geworden, wusste sie natürlich rudimentär um die Fortpflanzung. Bei Tieren, versteht sich. Immer wenn sie Sophronia mit Detailfragen gekommen war, hatte die um den heißen Brei herumgeredet. Folglich wusste Kit nichts Genaueres und fand das Ganze schlicht ekelhaft. Trotzdem gehörte es zu ihrem Teil der Abmachung. Irgendwie unbegreiflich, aber Männern war die Paarung wohl wichtig, und Frauen hatten gefälligst mitzumachen. Dennoch war Kit rätselhaft, dass eine Frau wie Mrs. Cogdell es billigte, wenn der Reverend wie ein Hahn auf ihren Rücken stieg.
»Ach, das«, meinte Kit gedehnt. »Von mir aus können Sie sich ruhig mit mir paaren.« Sie stockte verlegen. »Obwohl ich es bestimmt ekelhaft finde!«
Cain musste unwillkürlich grinsen. Schulterzuckend nahm er ein Zigarillo aus der Jackentasche und stapfte zu der Verandatür, um es dort anzuzünden.
Sie folgte ihm nach draußen. Dort stand er vor einer alten, rostzerfressenen Bank und spähte in den Garten. Als er nichts sagte, räusperte sie sich. »Na, was meinen Sie?«
»Etwas Idiotischeres hab ich lange nicht mehr gehört.«
Das aufglimmende Zigarillo warf einen zuckenden Schatten auf sein Gesicht. Panik stieg in Kit hoch. Das war ihre einzige Chance, um Risen Glory behalten zu können. Sie musste ihn einfach überzeugen. »Wieso idiotisch?«
»Weil es so ist.«
»Sie nennen mir jetzt auf der Stelle den Grund!«
»Ich bin dein Stiefbruder.«
»Das ist kein triftiger Grund, sondern lediglich ein gesetzlich definierter Verwandtschaftsgrad.«
»Außerdem bin ich dein
Weitere Kostenlose Bücher