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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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im Bett gelegen hatte. Und an den
schrecklichen Gedanken, der ihr durch den Kopf geschossen
war, als Laurie ihr von ihrem Traum erzählte.
Der Traum, in dem Leute in ihrem Zimmer waren und sie
begrapscht hatten.
Nein!, sagte sie laut zu sich. Das ist etwas anderes! Es muss
etwas anderes sein! Sie versuchte den Gedanken zu vertreiben,
aber er klammerte sich an ihr Bewusstsein wie eine Klette und
grub sich immer tiefer in ihre Gedankenwelt. Sie schob die
Bilder in den Umschlag zurück und legte diese zurück in die
Schublade.
Ein Teil von ihr – ein winziger Teil – wollte die Lade
zuschieben, abschließen und das Zimmer verlassen. Doch noch
während sie ihrer inneren Stimme lauschte, griff sie nach dem
nächsten Umschlag und überflog die Bilder.
Noch mehr Kinder.
Andere Kinder.
Als sie die Bilder in den übrigen Umschlägen betrachtete,
entdeckte sie eine Gemeinsamkeit: Die Kinder waren alle
ungefähr im gleichen Alter – zwischen zehn und zwölf Jahre.
Die eingekreisten Gesichter – vielleicht fünf in den ersten
vier Umschlägen – ähnelten sich. Die drei Mädchen waren alle
blond und hatten blaue Augen; die Jungs braune Augen und
dunkles Haar.
Wie Laurie und Ryan.
Auch diesen schrecklichen Gedanken versuchte sie zu
verscheuchen, doch inzwischen hatte die Angst ihre Klauen in
ihren Magen geschlagen, und ihr brach am ganzen Körper der
kalte Schweiß aus. Wieder wollte sie die restlichen Bilder
zurücklegen; und wieder schlug dieser Versuch fehl.
Es war nur noch ein Umschlag übrig, und als sie den
aufklappte, zitterten ihre Hände so sehr, dass die Fotos ihr aus
den Fingern glitten und auf Tonys Schreibtisch flatterten. Mit
angehaltenem Atem starrte sie auf die Bilder herab, überzeugt
davon, dass ihre Augen ihr einen Streich spielten, dass das, was
sie sah, nicht wahr sein konnte.
Die auf dem Schreibtisch verstreuten Fotos waren, wie alle
anderen auch, im Central Park aufgenommen.
Nur wusste sie diesmal genau, wer die Kinder darauf waren:
Ryan und Laurie.
Sie hatte diese Bilder noch nie gesehen und konnte sich auch
nicht erinnern, sie gemacht zu haben.
Es waren etliche Schnappschüsse von Ryan auf dem
Baseballfeld dabei, wie er mit erhobenem Schläger dastand
oder übers Spielfeld rannte.
Zwei weitere vom Fußballtraining.
Und ein halbes Dutzend, wie er zusammen mit ein paar
Freunden ausgestreckt auf einer Wiese lag.
Die anderen Fotos zeigten Laurie. Auf einem saß sie mit
Caroline im Park auf einer Bank; auf einem anderen war sie
mit Freundinnen beim Seilhüpfen zu sehen. Caroline erkannte
Amber Blaisdell und einige andere Mädchen von der Elliott
Academy wieder.
Wo kamen diese Fotos her?
Wann wurden sie aufgenommen.
Und als sie sich erinnerte, dass Laurie seit mindestens einem
Jahr nicht mehr mit ihrem Springseil gespielt hatte, stockte ihr
das Blut in den Adern. Das letzte Mal, als sie mit Amber zum
Seilspringen im Park gewesen war, lag gut ein Jahr zurück.
Monate bevor sie Tony überhaupt kennen gelernt hatte.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Alles reiner Zufall – es
musste Zufall sein. Tony hatte eine Menge Kinder im Park
fotografiert. Dutzende! Warum sollten da nicht auch Laurie
und Ryan darunter sein?
Aber warum hatte er ihr das nie erzählt? Ihr diese Bilder nie
gezeigt? Ein Begriff kam ihr in den Sinn, ein hässliches Wort:
Pädophilie. Doch den verscheuchte sie ganz schnell und suchte
nach einer anderen Erklärung – irgendeiner!
Er hatte die Bilder vergessen. Genau, das war es! Er hatte so
viele Aufnahmen von Kindern gemacht, dass er sich einfach
nicht mehr daran erinnerte, dass auch Bilder von Ryan und
Laurie darunter waren. Er –
Caroline erstarrte, als sie hörte, wie der Türknopf gedreht
wurde. Einen Moment später hörte sie die eine Türangel
quietschen, als die Tür aufgeschoben wurde.
Erwischt! Und der Schlüssel steckte noch im Schloss der
Schreibtischlade.
Erwischt, mit der Lade herausgezogen und den Fotos auf
dem Schreibtisch verstreut. Dann, inmitten der Stille, hörte sie
eine Stimme.
Aber nicht Tonys Stimme – Ryans Stimme.
»Er kommt, Mom! Ich habe ihn unten auf der Straße gehen
sehen.«
Ohne sich mit Worten aufzuhalten, schob Caroline die Fotos
zusammen, steckte sie in ihren Umschlag und legte diesen
zusammen mit den anderen in die Schublade zurück. Sie
sperrte sie wieder ab, folgte Ryan aus dem Arbeitszimmer, zog
die Tür zu und wollte abschließen.
»Schau mal, ob der Aufzug schon hochkommt«, rief sie
Ryan zu, als

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