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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Monate zu
Jahren dehnten, war die Geschichte allmählich aus der
Erinnerung der Stadt verschwunden, nur einige Boulevardblätter brachten immer mal wieder eine Story über das
Rockwell, bevorzugt vor Halloween.
Und das Rockwell stand immer noch leer, Jahr um Jahr. Im
ersten Jahr hatte Caroline sich sogar geweigert, sich dem
Gebäude auf Sichtweite zu nähern. Als einen Tag nach dem
mysteriösen Verschwinden aller Rockwell-Bewohner ein
verfrühter Wintereinbruch die Stadt mit einem weißen Tuch
verhüllt hatte, war Carolines erster Impuls der gewesen, die
Koffer zu packen und irgendwohin zu verschwinden, wo es
warm war, wo sie niemand kannte, und wo es keine
Erinnerungen gäbe.
Weder für sie, noch für Ryan oder Laurie.
»Das ist die dümmste Idee, die mir je zu Ohren gekommen
ist«, hatte Kevin Barnes erklärt, nachdem sie ihm davon erzählt
hatte. »Vor Erinnerungen kann man nicht davonlaufen, ganz
gleich, wie schlau man es auch anstellt. Außerdem was willst
du irgendwo auf einer Südseeinsel machen? Hier hast du
wenigstens einen Job und ein Dach über dem Kopf und
Freunde.« Dann hatte er ihr noch eine ganze Liste von Dingen
aufgezählt, die sie hinter sich lassen würde, und als Kevin am
Ende angelangt war, hatte sie ihre Idee beinahe wieder
verworfen. Als der Winter dann später mit noch mehr Schnee
und Eiseskälte seinen richtigen Einzug hielt, hatte Caroline
noch etliche Male überlegt, ob sie ihre Meinung nicht vielleicht
doch wieder ändern sollte. Aber als Laurie wieder zu Kräften
gekommen war und beide Kinder wieder zur Schule gingen,
hatten sie alle in einen Lebensrhythmus gefunden, den Caroline
zwar nicht ideal fand, der ihnen aber wenigstens Struktur und
Halt gab.
Sie fand eine Wohnung an der East Side, näher an Claires
Laden gelegen, eine Wohnung, die sie zu Anfang mit dem
Geld, das sie bei Antiques By Claire verdiente, kaum
finanzieren konnte. Doch während des ersten Herbstes und des
folgenden Winters waren ihre Einkünfte gestiegen, und obgleich es zu Anfang nur die morbide Neugier einer bestimmten
Schicht von Frauen war, die eher an Gerüchten über das
Rockwell interessiert waren, als an ernsthaften Vorschlägen für
die Umgestaltungen ihrer Salons, war es letztlich doch ihr
professioneller Geschmack gewesen, der immer mehr Kunden
anlockte, auch nachdem das erste Interesse an dem mysteriösen
Geisterhaus abgeflaut war.
Vor zwei Jahren schließlich fand sich Caroline nach einem
Spaziergang durch den Park an der Ecke 70. Straße und Central
Park West wieder und starrte auf das Haus, deren Bewohner
ihren Kindern beinahe das Leben geraubt hätten.
Düster wie eh und je erhob sich das Rockwell vor ihr, die
Türme in den Himmel gestreckt, zugezogene Vorhänge vor den
Fenstern, die Fassade vom Schmutz der Jahrzehnte geschwärzt.
Doch einmal abgesehen von Ruß und Schmutz ließ nichts
erkennen, dass dieses Haus verlassen war. Es wirkte eher wie
scheintot, so als würden die Bewohner demnächst
zurückkehren.
Seit diesem Tag vor zwei Jahren zog es sie immer wieder
zum Rockwell zurück; manchmal warf sie nur einen kurzen
Blick auf das Gebäude, manchmal blieb sie eine halbe Stunde
davor stehen und versuchte sich auszumalen, was innerhalb
dieser Mauern wirklich passiert war. Und was mit diesen
Menschen geschehen war, die anscheinend aus dem Nichts
gekommen und dann wieder verschwunden waren, als hätten
sie nie existiert.
Aber sie hatten existiert, und sie existierten immer noch, und
während die Jahre dahingingen, war Carolines Entschlossenheit, die Wahrheit über diese Menschen herauszufinden, zwar
etwas abgeflaut, aber nie ganz versiegt.
Es gab so wenig Anhaltspunkte.
Eine rumänische Gesellschaft.
Ein Mann namens Anthony Fleming. »Natürlich haben wir
über ihn genauso wenig in Erfahrung bringen können wie über
den Rest der Bewohner«, hatte Oberholzer gesagt. »Und ich
verwette meine Dienstmarke, dass Fleming gar nicht sein
richtiger Name war.«
Und das war in etwa alles, worauf sie sich beziehen konnte.
Sie hatte versucht, mehr über diese Gesellschaft herauszufinden, der das Rockwell gehörte, war aber auch nicht weiter
gekommen als die Polizei. Jeder Brief, den sie geschrieben
hatte, war genauso verschwunden wie der Mann, den sie
geheiratet hatte. Schließlich hatte sie das Briefeschreiben
aufgegeben und einen Anwalt engagiert; tausend Dollar hatte
Caroline die Bestätigung gekostet, dass der Anwalt auch nicht
mehr hatte erreichen

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