Mittsommerzauber
ringelte sich wie ein zerzauster Heiligenschein um ihre Stirn. Sie sah aus wie eine liebliche, rundliche Madonna. Eine Madonna mit praktischen Einwänden. »Wer die Schafe rauslässt, muss sie auch wieder reinbringen. Du musst doch darüber nachgedacht haben!«
»Naja, das habe ich schon«, sagte Eva kleinlaut. »Aber erst, als sie draußen waren. Bis jetzt ist mir noch nichts eingefallen, aber bestimmt weiß seine Tochter, wie man das macht. Oder der Hund. Irgendjemand wird sich schon drum kümmern, solange er im Krankenhaus ist, oder nicht?«
»Da bin ich mir gar nicht so sicher.« Britta legte das Heft zur Seite und richtete sich schwerfällig auf. Durch das viele Liegen wurde sie zunehmend unbeweglicher. Der Arzt hatte zwar gesagt, das Kind müsse noch um einiges wachsen, doch insgeheim bezweifelte Eva diese Einschätzung. Es war unmöglich, dass Brittas Leibesumfang sich noch mehr vergrößerte. Oder? Der Bauch wölbte sich jetzt schon so weit vor, dass man bequem einen Teller darauf hätte abstellen können, wenn man es hätte versuchen wollen. Zumindest einen kleinen.
Eva merkte, dass sie schon wieder anfing, ans Essen zu denken. Ihr Magen knurrte heftig, denn sie hatte seit einem hastigen spärlichen Frühstück im Stehen nichts zu sich genommen. Mittlerweile war sie so hungrig, dass sie ein ganzes Schaf hätte vertilgen können.
Endlich kam Malin aus dem Haus, das Tablett mit dem Mittagessen vor sich hertragend. Sie hatte bis zur Mittagspause den Laden beaufsichtigt und sich anschließend ums
Kochen gekümmert, während Eva bei Gustav gewartet hatte.
Eva schnupperte genießerisch, als ihr der verführerische Duft in die Nase stieg. Es gab Sillgratin 1 und Tomatensalat, und zum Nachtisch hatte Malin Zimtcreme mit Multbeeren 2 vorbereitet. Eva war vorhin rechtzeitig eingetroffen, um Malin noch bei den letzten Handgriffen zu helfen, und dabei hatte sie sich gefragt, wie sie es das ganze Jahr über mit Fertignahrung aus der Mikrowelle oder lieblos zusammengeschustertem Kantinenessen aushielt. Weder sie noch Henning waren große Köche, und meist musste es was Schnelles tun, wenn es Zeit zum Essen war.
Hier in Barkhult hatte Eva bis jetzt nur Köstlichkeiten aus frischen Zutaten zu sich genommen. Hungrig schielte sie auf die dampfenden Schüsseln.
»Du kennst Gustav Axelsson nicht«, sagte Malin abfällig, während sie das Tablett auf dem Gartentisch abstellte. »Dem wird niemand helfen. Mal abgesehen davon, dass er gar keine Hilfe will. Von niemandem. Der ist viel zu stolz.« Sie rückte den Sonnenschirm zurecht und fing an, den Tisch zu decken. Eva sprang auf, um ihr zu helfen. Sie naschte von der Zimtcreme, was ihr einen strafenden Blick der Köchin eintrug.
»Diese Monica wird das alles auf die Reihe bringen«, sagte Eva eilig, während sie Besteck neben die Teller legte. »Sie hat gesagt, dass sie heute noch kommt.« Nachdenklich hielt sie inne. »Obwohl ich den Eindruck hatte, dass es Gustav gar nicht so recht war, als ich sie angerufen habe.«
»Jemand anderen als seine Tochter hat er nicht«, sagte
Malin kurz angebunden. An Britta gewandt, fügte sie hinzu: »An deiner Stelle würde ich mich jetzt schon mal nach einem anderen Wolllieferanten umsehen. Nur für den Fall, dass Gustav nicht zurückkommt.«
Britta quittierte diesen Vorschlag mit einem Achselzucken.
»Gibt’s denn hier in der Gegend noch andere Schäfer, die so gute Wolle liefern?«, wollte Eva wissen. Sie naschte erneut, diesmal von dem Salat, was Malin ein verärgertes Schnauben entlockte. Eva riss sich zusammen und beeilte sich, Britta beim Aufstehen zu helfen.
»Nein, diese Qualität liefert nur Gustav«, räumte Malin ein. »Aber wenn es nicht geht, geht es eben nicht mehr.«
Irgendetwas schien Malin gewaltig quer zu stecken. Immer wenn die Sprache auf Gustav kam, wurde sie reichlich widerborstig. Es sah beinahe so aus, als könne sie ihn nicht ausstehen. Eva beschloss, Britta danach zu fragen - später. Im Moment interessierte sie nur das Mittagessen.
*
David hatte vor der Fahrt das Verdeck herabgelassen. Monica hatte sich beschwert, dass der Wind ihre Frisur ruinieren würde, doch David hatte nicht nachgegeben. Wozu war ein Cabrio gut, wenn es nicht bei schönem Wetter offen gefahren wurde? Monica hatte sich schließlich gefügt und war seinem Vorschlag gefolgt, ein Kopftuch umzubinden.
David war sich darüber im Klaren, dass sie wegen ihres Vaters nervös war und deshalb keine Gelegenheit ausließ, Streit zu suchen.
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