Mittsommerzauber
ihn war. Sie lebten seit fast sieben Jahren zusammen, aber nicht einmal am Anfang ihrer Beziehung hatte sie so ausgesehen wie jetzt, im Angesicht des bevorstehenden Karrieresprungs.
David wandte sich unwillkürlich ab und konzentrierte sich auf den Anruf. »Wie war gleich Ihr Name?«, fragte er höflich. Die Frau hatte zwar vorhin ihren Namen genannt, aber er hatte nur ihren Vornamen verstanden. Eva. Anscheinend hatte diese Eva etwas Wichtiges auf dem Herzen. Sie klang ziemlich nervös.
»Winklund, Eva Winklund. Ich rufe aus Barkhult an. Bitte, ich muss Monica Axelsson unbedingt sprechen! Es geht um ihren Vater, Gustav Axelsson. Er ist doch ihr Vater, oder?«
»Ja, natürlich«, sagte David mit aufkeimender Besorgnis. »Was ist mit ihm?«
»Es geht ihm nicht gut. Kann ich jetzt bitte seine Tochter sprechen?«
David holte scharf Luft. »Sekunde bitte.« Er hielt Monica den Hörer hin. »Deinem Vater scheint was passiert zu sein.«
*
Eva folgte den beiden Sanitätern, als sie die Liege aus dem Stall zum Krankenwagen trugen. Der junge Notarzt ging neben ihr, die orangefarbene Jacke geöffnet und das Gesicht vor Anstrengung verschwitzt. Die Untersuchung in der Stallbox war eine unbequeme Angelegenheit gewesen, nicht nur wegen der dumpfen Wärme, die dort drinnen herrschte, sondern auch, weil der Patient sich beharrlich geweigert hatte, zu kooperieren. Er war vor Schmerzen beinahe bewusstlos, aber er hätte beinahe einen Tobsuchtsanfall bekommen, als der Arzt erklärt hatte, dass er auf keinen Fall hier bleiben konnte. Sogar von der Trage aus argumentierte er weiter.
»Ich will nicht ins Krankenhaus!« Sein Gesicht, vorhin noch kreidebleich, war mittlerweile hochrot vor Anstrengung, den Arzt davon zu überzeugen, dass er hier auf keinen Fall wegkonnte. »Die Schmerzen haben schon fast aufgehört! Es geht mir wieder gut!«
Der Arzt warf Eva einen indignierten Blick zu, dann wandte er sich geduldig zu Gustav um. »Die Schmerzen sind nur deshalb besser geworden, weil ich Ihnen ein starkes Schmerzmittel gespritzt habe. Herr Axelsson, Sie müssen ins Krankenhaus, weil Sie nur dort richtig behandelt werden können. Es sind wichtige Untersuchungen durchzuführen, zum Beispiel eine Computertomografie. Nur so kann festgestellt werden, inwieweit Nerven in Mitleidenschaft gezogen worden sind oder wie bald die Operation durchgeführt werden muss.«
In einer Mischung aus Besorgnis und Mitleid sah Eva, wie sich das Gesicht des Alten vor Angst und Widerwillen verzerrte.
»Operation? Was für eine Operation? Ich will auf keinen Fall operiert werden!«
»Das kann ich hier nicht entscheiden«, sagte der Arzt.
»Aber die Schafe!«, rief Gustav. »Sie müssen doch versorgt werden!« Der Hund, offenbar beunruhigt durch die laute Stimme seines Herrn, gab ein kurzes Kläffen von sich. Er war dem Alten die ganze Zeit über nicht von der Seite gewichen und trottete neben der Liege her.
»Jemand wird sich schon um Ihre Tiere kümmern«, sagte einer der Sanitäter.
»Etwa jemand aus dem Dorf?«, stieß Gustav hervor. »Eher schneit es in der Hölle!«
»Sie machen sich zu viele Sorgen«, sagte der Arzt. »Es wird sich schon alles irgendwie regeln lassen.« Seine Stimme klang nach wie vor geduldig, aber Eva merkte ihm an, dass er es langsam leid war, über das Thema zu diskutieren. Er hatte einen schweren Bandscheibenvorfall diagnostiziert, zum Glück also nicht den Herzinfarkt, den sie insgeheim befürchtet hatte. Doch natürlich war auch diese Erkrankung viel zu ernst, um sie auf die leichte Schulter zu nehmen. Der Alte würde sich damit abfinden müssen, dass er nicht einfach hier bleiben konnte.
»Bitte«, sagte Gustav. Nur dieses eine Wort. Seine Stimme war brüchig, und Eva sah, dass er mit den Tränen rang.
Spontan trat sie an die Liege, kurz bevor die beiden Sanitäter sie in den Wagen schoben. »Seien Sie ganz ruhig. Ich kümmere mich um alles. Ich sorge dafür, dass es den Schafen an nichts fehlt. Ich verspreche es.«
Gustav sackte ein wenig zusammen und schloss die Augen. Die Liege glitt auf Schienen in den Wagen und wurde arretiert. Das Gesicht des Alten lag jetzt im Schatten, sodass Eva es nicht mehr richtig sehen konnte, doch sie meinte, in seiner Miene kurz den Ausdruck von Erleichterung wahrgenommen zu haben, bevor die Sanitäter die Tür schlossen.
Als der Krankenwagen anfuhr, warf ihr der junge Arzt aus dem offenen Fenster auf der Beifahrerseite heraus einen spekulativen Blick zu, fast so, als könne er es
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